Seinen Lebensabend im Pflegeheim zu verbringen, ist für die meisten Menschen keine schöne Vorstellung. Wie aber möchten ältere Steirer leben, wenn sie pflegebedürftig werden?

KATHARINA WEINZERL: Meiner Meinung nach kann hier keine pauschalisierte Antwort gegeben werden. Menschen sind verschieden, ebenso wie ihre Bedürfnisse. Aus meiner Erfahrung ist es aber ein großer Wunsch, so lange wie möglich selbstständig und unabhängig in der gewohnten Umgebung zu leben. Durch gezielte Unterstützung, sowohl durch Familienangehörige als auch durch geeignete Wohnformen, Technologien und spezifische Dienstleistungsangebote, könnte dieser Wunsch in Zukunft besser als heute unterstützt werden.

Gibt es Faktoren, die Wünsche in der Art der Pflege beeinflussen? Je nach gesundheitlichem Zustand differieren die Beürfnisse. Um diese bestmöglich zu treffen, gibt es wiederum unterschiedliche Ansätze. Von unterstützenden Tätigkeiten im Haushalt über mobile Pflegedienste bis hin zur 24h-Pflegeunterstützung. Weiterführend gibt es bereits Modelle von Wohngemeinschaften, die soziales Beisammensein als auch unterstützende Tätigkeiten, je nach Pflegebedürftigkeit, durch ein anwesendes Betreuungsteam vereinen.

Die Digitalisierung macht auch vor der Pflege nicht halt. Joanneum Research etwa hat ein so genanntes „Serious Game“ namens „amicasa“ entwickelt. Was kannmansichdaruntervorstellen?
Unter Serious Gaming sind digitale Spiele mit einem Mehrwert wie etwa im Bereich Prävention oder Lernen gemeint. Beispiele sind Gedächtnisspiele auf Tablets oder Smartphones zur Vorbeugung vor Demenzerkrankungen. Aber auch Spiele für den Bewegungsapparat: Koordinationsübungen oder Bewegungstherapien fallen unter diese Kategorie. Wichtiger Faktor ist sowohl die – sagen wir aufs Alter angepasste – Bedienbarkeit als auch der Spaßfaktor, den ein solches „Spiel“ mit sich bringen soll.

Ein weiteres steirisches Unternehmen namens e-nnovation hat mit „Emma – die flexible Lebensassistenz“ ein innovatives System entwickelt. Wie funktioniert es?
Emma integriert verschiedenste Sensorik einer Wohnung, um Unterstützungsmöglichkeit für ältere Personen zu bieten. Bestandteile eines individuellen „Smart Homes“ sind unter anderem das automatische Türschloss, aktivitätserkennende Beleuchtungsysteme, Sturzsensoren im Wohnraum oder eine Smartwatch, welche nicht nur den bereits erfolgten Sturz, sondern auch Anzeichen durch ein verändertes Gangmuster detektieren können, die intelligente Herdplatte, die bei unbeaufsichtigtem Betrieb selbst abschaltet, bis hin zum Notfallanruf an Rettungsdienste oder Angehörige. Emma befindet sich aktuell noch in den letzten Entwicklungsschritten. Das Produkt soll allerdings noch dieses Jahr auf den Markt kommen.

Vorgestellt wurde im Rahmen der Informationsveranstaltung „Fast forward 4 you“ auch „Homee – Smart Home for Senioren“: Inwieweit werden solche Technologien angenommen?
Die Technikaffinität der Bevölkerung und natürlich ebenso der älteren Bevölkerung nimmt stetig zu. Durch die Vielzahl der Angebote im Smart Home-Bereich senken sich auch die Kosten. Über geförderte Testregionen wird die Akzeptanz solcher Technologien als auch die Usability speziell für ältere Personen evaluiert. Somit kann natürlich auch an der Benutzerfreundlichkeit und der Akzeptanz gearbeitet werden, die hier einen wesentlichen Punkt darstellt.

Seit Juli 2016 ist die Grüne Mark die erste österreichische Referenzregion innerhalb der 75 Regionen umfassenden „European Partnership on Active and Healthy Ageing“. Wie kam es dazu?
Die Steiermark verfügte bereits vor ihrer Bewerbung als Referenzregion über eine hervorragende Infrastruktur, sowohl imForschungs- als auch im Dienstleistungsbereich in Sachen Active and Healthy Ageing. Das führte zur erfolgreichen Anerkennung als 2*-Referenzregion (Anm. d. Red.: 0–4 Sterne möglich), deren Re-Zertifizierung wir für dieses Jahr anstreben. Ziel ist es natürlich, einen Stern dazuzugewinnen und somit auf 3* zu erhöhen. Mittlerweile konnten wir auch die Zahl der in der Referenzregion aktiv engagierten Partnerorganisationen von ursprünglich 16 im Jahr 2016 auf über 30 zu Beginn 2019 steigern.

Welche Strategien zur weiteren Entwicklung der „Healthy Aging“- Region Steiermark gibt es?
Der demografische Wandel eröffnet Unternehmen und Forschungseinrichtungen neue Chancenfelder für innovative Produkte und Dienstleistungen. Die Politik hat das Potenzial des Themas Healthy Ageing in ihren Strategiekatalog aufgenommen und trägt somit wesentlich zur Sensibilisierung und, mit gezielten Förderungen, zu neuen Entwicklungen bei.
Aktuell arbeiten wir an einer bisher einzigartigen Gesundheitsregion im Raum Bad Radkersburg und führen in diesem Rahmen am 8. und 9. Mai auch die erste länderübergreifende Gesundheitskonferenz (Anm. d. Red.: AUT, SLO, CRO, ITA) zu diesemThema durch. Als Cluster sehen wir unsere Aufgabe darin, die Richtung vorzugeben, über dieses Thema zu informieren, Projekte zu initiieren, Förderungen zu finden und vor allem das Bewusstsein bei Bevölkerung und Politik zu generieren. Das große Ziel, das wir uns gesetzt haben ist, die gesunden Lebensjahre der Steirerinnen und Steirer um zwei zusätzliche gesunde Lebensjahre zu erhöhen.