Thomas Krebs zeichnet ein düsteres Bild in der Bundeshauptstadt. Die Schulen geraten in Wien mehr und mehr unter Druck, so der oberste Wiener Pflichtschullehrervertreter (FCG) : „Mit den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, können wir das alles nicht mehr stemmen.“ Krebs spricht von Lehrerinnen und Lehrern, die zwischen „Erschöpfung“ und einem „Ohnmachtsgefühl“ schwanken. Konkret geht es darum, dass der Familiennachzug von Flüchtlingen eine immer größere Belastung darstellt. Die Kinder brauchen Schulplätze und Deutschförderung.

Seit Wochen übt die Stadt Wien Kritik an der ungleichen Verteilung von Flüchtlingen im Bundesgebiet. Aber auch innerhalb der Bundeshauptstadt selbst sind Kinder mit Sprachproblemen ungleich verteilt, zeigt eine aktuelle Beantwortung einer Anfrage der Wiener ÖVP.

Die Zahlen der Statistik Austria bzw. der Stadtregierung beziehen sich dabei aber auf das Jahr 2022 und dürften daher schon etwas überholt sein. Zuletzt kamen pro Monat teils 350 Kinder im Rahmen des Familiennachzugs neu in die Wiener Schulen – sie dürften praktisch alle kein oder kaum Deutsch sprechen. Laut der Anfragebeantwortung weisen in fünf Bezirken mehr als die Hälfte der Volksschüler einen sogenannten außerordentlichen Status auf. Das bedeutet, dass sie aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht in der Lage sind, dem Unterricht zu folgen.

Am höchsten ist dieser Anteil in Margareten (68 Prozent), gefolgt von Ottakring und der Brigittenau (je 57 Prozent), Favoriten (54 Prozent) und Meidling (51 Prozent). Demgegenüber gibt es aber auch Bezirke, in denen vergleichsweise nur wenige Volksschüler einen außerordentlichen Status aufweisen. Dazu gehören etwa Mariahilf (elf Prozent), Wieden (14 Prozent), die Innere Stadt (15 Prozent), die Josefstadt (18 Prozent) und Hietzing (19 Prozent). Wienweit liegt der Anteil bei 36 Prozent.

Ebenfalls auffällig: Ein Großteil dieser Kinder hat bereits Integrationsmaßnahmen durchlaufen. Drei Viertel haben mindestens zwei Jahre einen Kindergarten hierzulande besucht. Zwei Drittel sind sogar bereits in Österreich geboren.

„Zahlen explodieren“

Im Moment würden die Schülerzahlen explodieren, sagt Lehrergewerkschafter Krebs. Die „sprachlichen Unkenntnisse“ seien eines von vielen Problemen. Viele Kinder seien auch nicht ausreichend für die Schulumgebung sozialisiert. „Die Kolleginnen und Kollegen leiden massiv darunter, weil sie nicht mehr zum eigentlichen Unterrichten kommen.“ Krebs erzählt von einer Direktorin, in deren Schule alle ersten Klassen bis auf ein Kind vollständig aus außerordentlichen Schülerinnen und Schülern bestehen. Krebs vermisst politische Maßnahmen: „Wir müssen Schule jetzt neu denken, es braucht vor allem auch personelle Mittel.“ Etwa auch Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter, Psychologinnen und Psychologen. Das System sei am Limit, es droht der Kollaps, warnt Krebs. Neben kurzfristigen Interventionen wie dem Aufstellen von Containern als zusätzliche Klassenräume brauche es einen längerfristigen Plan.

Mehr Deutschförderung gefordert

Der Wiener ÖVP-Obmann Karl Mahrer forderte in einer Aussendung mehr Deutschförderung für Kindergärten und Pflichtschulen. „Anstatt wirksame Maßnahmen zu setzen, schieben SPÖ und Neos nur die Verantwortung ab. Der Sozialmagnet Wien zieht unzählige Menschen nach Wien, gleichzeitig setzt die Stadtregierung auch keine Maßnahmen, um diese Menschen zu integrieren.“ Es brauche mehr Deutschförderkräfte, kleinere Gruppen und einen verpflichtenden Kindergarten ab drei Jahren für alle, die nicht ausreichend Deutsch können. Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp forderte per Aussendung SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig auf, die Sozialhilfe für Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge sofort auszusetzen.