Mit Deutsch geht’s los: Am Donnerstag beginnt die Zentralmatura für über 41.000 junge Menschen in Österreich. Laut einer aktuellen Umfrage des Nachhilfeinstituts Lernquadrat sehen Maturantinnen und Maturanten aber wenig Sinn im Klausur-Marathon: Für 70 Prozent der 729 Befragten ist die Matura in ihrer derzeitigen Form veraltet und gehört modernisiert. Mehr als die Hälfte würde die Prüfungen gerne über einen längeren Zeitraum verteilen. Wie sinnvoll ist das Format tatsächlich?

Das Konzept Matura an sich „ist ja kein schlechtes“, sagt Marius Hladik, oberster Schülervertreter in Österreich. Elke Höfler sieht in der Reifeprüfung eine Art Abschluss und sie damit grundsätzlich begründet. Höfler ist Assistenzprofessorin für Mediendidaktik und Sprachendidaktik an der Uni Graz und unterrichtet an Pädagogischen Hochschulen. Direktorin Isabella Zins bekommt mit: „Die Schülerinnen und Schüler sind dann auch immer wirklich stolz.“ Zins leitet seit mehr als 17 Jahren das Borg Mistelbach und ist AHS-Direktorensprecherin.

Bildungsforscherin Elke Höfler
Bildungsforscherin Elke Höfler © JuMa Photography

Themen „fürs spätere Leben“ fehlen

So weit, so gut. Dann kommt von mehreren Seiten das große „Aber“. Einmalige Testungen wie die Matura „sind immer schwierig, weil es auf die Tagesverfassung ankommt“, sagt Höfler. In der Forschung spreche man von Performanz, weil einmal geliefert wird, im Gegensatz zu Kompetenz, die man über einen längeren Zeitraum beweise.

Schülervertreter Hladik findet, dass für die aktuelle Form der Matura zu viel zu lernen sei, „was man für die Zukunft nicht braucht, man müsste mehr mit dem Gedanken rangehen, was tatsächlich im späteren Leben von Schülerinnen und Schülern wichtig ist“. Als Beispiele nennt Hladik Mietverträge und Finanzen. Sein Kollege und AHS-Sprecher Xaver Eicher spricht sich dafür aus, die Prüfungen zeitlich mehr zu trennen. Und: „Die Zentralmatura sollte ein viel dynamischerer Prozess sein. Man müsste mehr dahinter sein, sie zeitgemäß zu halten. Die Gesellschaft verändert sich ja, das sieht man an künstlicher Intelligenz oder an den Uni-Zugangsbeschränkungen.“

Bundesschulsprecher Marius Hladik
Bundesschulsprecher Marius Hladik © APA/ROLAND SCHLAGER

Ruf nach mehr Individualisierung

Kritisiert wird, dass die Matura heute nicht mehr Tür und Tor für alle Ausbildungen öffnet, weil Aufnahmetests an Unis zunehmen. „Gewisse Dinge müssten wir umdenken“, sagt Höfler. Laut der Expertin müsste man auf „ein modulares Oberstufensystem mit Spezialisierungen“ setzen, um die Jugendlichen besser auf die Zukunft vorzubereiten. Lehrergewerkschafter Herbert Weiss gefällt die Idee, man könnte dafür eine Art Wahlpflichtsystem wieder aufbauen, „sodass diejenigen, die den Medizinstudiumtest machen wollen, etwa einen Schwerpunkt in die Richtung an der Schule belegen können“. Direktorin Zins bezweifelt allerdings, dass die Schulen derzeit eine Vorbereitung auf alle möglichen Studienrichtung stemmen können. Der Übergang von der Schule zur Uni ließe sich in ihren Augen durch bessere Kontakte zwischen beiden Institutionen verbessern.

Wie die KI mitspielt

Was die künstliche Intelligenz (KI) angeht, wird am meisten über die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA) als Teil der Zentralmatura diskutiert. Zuletzt hatte die Lehrergewerkschaft rund um Herbert Weiss gefordert, dass die Arbeit nicht mehr Pflicht sein soll, weil es den Lehrkräften zunehmend schwerfällt, angesichts von KI die Eigenleistung der Schüler zu bewerten. Dahingehend laufen Gespräche, eine Weiterentwicklung der VWA sei wohl geplant, sagt Zins. Höfler betont: Es müsse dahin gehen, Schüler ihre Texte begründen zu lassen. So erkenne man, ob sie den Inhalt verstanden haben. „Begründen, Diskutieren und kritisches Urteilen sind zentrale Fähigkeiten. Ich muss meine Meinung in der Welt ausverhandeln können“, sagt Höfler. Die Wissenschaftlerin stört die hohe Standardisierung der Zentralmatura. „Es geht um kein inhaltliches Verständnis mehr. Früher musste man kreative Texte in Fremdsprachen schreiben, heute ist es sehr Textformat-lastig.“ Sie plädiert auch für eine Aufwertung mündlicher Arbeiten.

Die Schülervertreter sprechen sich dafür aus, dass die Matura unter Einbindung möglichst vieler verschiedener Stimmen weiterentwickelt wird. Für dieses Jahr bleibt vorerst nur eines: den Maturantinnen und Maturanten viel Glück für ihre Prüfungen zu wünschen.