Trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine vor knapp vier Jahren sieht der Armeechef die Schweizer Politik davon unbeeindruckt. "Ich habe nicht das Gefühl, dass seither ein Ruck durchs Land gegangen wäre", sagte er. In einer Demokratie bestimme die Politik die Mittel. Das akzeptiere er, sagt Süssli. Aber er trage die Verantwortung für die Truppe. Es sei belastend zu wissen, dass im Ernstfall nur ein Drittel aller Soldatinnen und Soldaten vollständig ausgerüstet wäre.

"Ich erinnere mich noch genau an den 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine angriff. Für mich war klar: Jetzt braucht es schonungslose Ehrlichkeit. Die Bevölkerung und die Politik dürfen nicht glauben, die Armee sei verteidigungsfähig, wenn sie es nicht ist", warnte der mit Jahresende abtretende Heereschef.

Warum kein Ruck durch die Schweiz gegangen sei nach dem russischen Überfall auf die Ukraine? Süssli sieht drei Gründe. Erstens liege der letzte Krieg auf Schweizer Boden fast 180 Jahre zurück - der Sonderbundskrieg (Bürgerkrieg zwischen Liberalen und Konservativen, Anm.) von 1847. "Wir haben deswegen zum Glück keine kollektive Erinnerung an Kriege, anders als etwa Estland oder Polen", sagte er. Zweitens wirke der Ukraine-Krieg für viele weit weg. "Tatsächlich liegen zwischen uns und der Ukraine aber nur zwei Länder: Ungarn und Österreich", mahnte Süssli.

Und drittens gebe es die irreführende Vorstellung, dass Neutralität automatisch schütze. Der Armeechef plädiert zudem für internationale Zusammenarbeit. "Die Schweiz kann sich nicht autonom verteidigen. Deshalb müssen wir mit anderen Armeen kooperieren können und interoperabel sein, also zusammen funktionieren. Dafür braucht es eine jahrelange Vorbereitung, die bereits begonnen hat", betont er.

Wenn die Schweiz erst ab 2032 oder 2035 ein Prozent des Bruttoinlandproduktes investieren wolle, dauere es bis etwa 2050, um das Land verteidigungsbereit zu machen. Das sei aber zu lang angesichts der Bedrohung. Aber die Schweizer Armee mache Fortschritte, um beim rasanten Wandel auf dem Gefechtsfeld mitzuhalten.