Ihr Buch ist eine literarische Abrechnung mit der Anbiederung Europas an das totalitäre China. Entstanden ist das Opus magnum „Stunden aus Blei“ zu großen Teilen in Graz, wo Radka Denemarková 2017/18 als Stadtschreiberin lebte und arbeitete.


Tatsächlich fühlt sich Radka Denemarková nach eigenen Aussagen „im Herzen als Grazerin“. Die vielfach ausgezeichnete tschechische Schriftstellerin meint die Sympathiebekundung durchaus ernst: Seit ihrem ersten Schreibaufenthalt in Graz anno 2010 als „Writer in Residence“ hat sie gute Verbindungen in die Steiermark. 2017/18 verbrachte sie hier ein Jahr als Stadtschreiberin, 2021 war sie einen Monat lang „Writer in Residence“ bei der Kulturinitiative Kürbis in Wies. Über all die Jahre hinweg hat sie Beziehungen gepflegt und Freundschaften aufgebaut, sodass ihre Lesungen in der Steiermark mittlerweile Heimspielen gleichen.

Radka Denemarková, Jahrgang 1968, studierte Germanistik und Bohemistik in Prag und arbeitete nach ihrer Promotion anno 1997 als Literaturwissenschaftlerin, bevor sie sich dem Schreiben  zuwendete. In „Stunden aus Blei“ wirft sie einen wenig  schmeichelhaften Blick auf diese Übergangszeit.
Radka Denemarková, Jahrgang 1968, studierte Germanistik und Bohemistik in Prag und arbeitete nach ihrer Promotion anno 1997 als Literaturwissenschaftlerin, bevor sie sich dem Schreiben zuwendete. In „Stunden aus Blei“ wirft sie einen wenig schmeichelhaften Blick auf diese Übergangszeit. © Manuel Rieder


Finger in politische Wunden. In Tschechien waren Radka Denemarkovás Bücher bereits mehrfach mit dem renommierten „Magnesia Litera“-Preis ausgezeichnet worden, bevor sie 2010 das erste Mal nach Graz kam. Im Gepäck hatte sie damals ihren druckfrisch auf Deutsch übersetzten Roman „Ein herrlicher Flecken Erde“.
Und schon mit diesem Buch zeigte sich, dass Denemarková ihre Aufgabe als Autorin darin sieht, den Finger in politische Wunden zu legen. Denn der Roman behandelt ein tschechisches Tabuthema: die oftmals brutale Vertreibung der Deutschen aus Böhmen nach 1945. Deutschsprachigen Böhmen ging es selbst dann an den Kragen, wenn sie keine Nazis waren, sondern zum Beispiel als Juden selbst von den Nazis verfolgt worden waren, so wie es Denemarková in ihrem Buch erzählt. „Ich bin der Meinung, dass ein Intellektueller verunsichern und Zeugnis ablegen soll über die Misere der Welt, er soll mit seiner Unabhängigkeit provozieren, gegen versteckten oder offenen Druck und Manipulation protestieren, Systeme und Mächte infrage stellen und deren Verlogenheit bezeugen,“ so das künstlerische Credo der Autorin, wie es in „Stunden aus Blei“ formuliert ist.

„Stunden aus Blei“ arbeitet mit symbolischen Überhöhungen, mit fabelartigen Abschnitten und einmontierten Passagen aus den Schriften von Konfuzius und Václav Havel sowie mit essayistischen Einschüben – das Ganze unterfüttert mit Szenen aus dem Leben der Protagonisten, die teilweise ans Groteske grenzen.