„Darf ich nur fragen“, fragt Gerald Fleischmann zum Abschluss des Gesprächs über sein neues Buch, „wie groß der Artikel wird?“ Macht der Gewohnheit vielleicht: In seiner Zeit als Kommunikationschef von Sebastian Kurz – zunächst im Außenministerium, später im Kanzleramt – waren Fleischmann und sein Sprecherteam bekannt dafür, großes Interesse daran zu haben, wie ein Artikel über ihren Chef oder eins seiner Themen am Ende aufbereitet sein würde.

„Message Control“ eben: Unter diesem Titel wurde die hochprofessionelle Taktung und strategische Platzierung von Kurz' Kommunikationsarbeit bekannt – und es ist auch der Titel, den Fleischmann seinem heute erscheinenden Buch gegeben hat. „Eigentlich wollte ich mich Ende vergangenen Jahres beruflich verändern“, sagt der 49-Jährige, es wäre ins Ausland gegangen, „da wäre das Buch eine schöne Begleitmusik gewesen“.

Es kam anders, im November machte Parteichef Karl Nehammer Fleischmann, damals im türkisen Parlamentsklub angestellt, zum Kommunikationschef der ÖVP. Das Buch war da allerdings schon fertig – und der Verlag bestand auf der Publikation.

Ein Blick in den Maschinenraum der Demokratie

Was das 304 Seiten starke Werk von manch anderem jüngst aus dem politischen Betrieb erschienen unterscheidet: Es trieft nicht vor Selbstmitleid, sondern hat tatsächlich einiges an Substanz. Fleischmann schildert sehr klar die Mechanismen im Verhältnis zwischen Medien und Politik: Wie Journalisten um „G'schichten“ konkurrieren – und wie Spindoktoren und Sprecher sich das zunutze machen, um Themen zu ihrem Nutzen zu platzieren oder unliebsame zu „vergraben“.

So beschreibt Fleischmann etwa die Inszenierung von „SNU – strategisch notwendigem Unsinn“, um Medien von wichtigeren Themen wie sachpolitischer Kritik oder den Argumenten der Opposition abzulenken. Als Beispiele dafür nennt er etwa „Streit zwischen den Regierungsparteien darüber, ob der Klimaschutz eher durch Fortschritt oder durch Verzicht umgesetzt werden würde. Oder ein Streit über Bau und Verkehrsprojekte.“ Ob man bei solchen Akten nicht ein schlechtes Gewissen habe, den öffentlichen Diskurs absichtlich zu sabotieren? Nein, sagt Fleischmann – in seiner Welt zeichneten sich gerade Demokratien durch den Wettbewerb zwischen politischen Themen, Ideen und deren professioneller Kommunikation aus – nur in diesem Wettbewerb entstehe so etwas wie die öffentliche Wahrheit, findet der gebürtige Burgenländer.

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Transparenz ohne haarige Themen

Es ist ein interessantes Buch, das die Geschichte und die Grundbegriffe politischer PR gut erklärt und mit einer Handvoll belangloser Anekdoten untermauert. „Es ist der Versuch, einen Blick hinter die Kulissen des politmedialen Komplexes zu bieten“, sagt Fleischmann: Politik und Medien seien im Vertrauensindex öffentlicher Institutionen auf den hinteren Plätzen, „das Rezept dagegen ist Transparenz“.

Das mag sein, aber es bleibt natürlich – wie könnte es anders sein – ein streng gesteuerter Blick: Genauso interessant wie worüber Fleischmann schreibt, ist, worüber er alles nicht schreibt. Zum Beispiel über die berüchtigten Interventionen aus Kurz' Team von Chefredakteuren abwärts, wenn ein Titel, eine Formulierung einmal nicht genehm war. Oder – der Elefant im Raum – über die Vorwürfe gegen ihn selbst: Wegen der mutmaßlichen Beinschab-Deals mit Boulevardmedien – „Umfragen in deinem Sinn“ – wird gegen Fleischmann und andere in seinem damaligen Team ermittelt, im Buch findet sich dazu nichts, auch im Gespräch dazu ist vereinbart, nicht über diese Vorwürfe zu sprechen: „Da unterwerfe ich mich ganz der Message Control des Verlages“.