Der Ethikrat der ÖVP wird – nach Bekanntwerden der Aussagen von Thomas Schmid vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft – tätig. Dies bestätigte die Vorsitzende Waltraud Klasnic am Montag im ORF-"Mittagsjournal". Im November soll es eine Sitzung geben. Aber man werde sich "nicht nach außen, sondern nach innen" mit der Sache beschäftigen, denn "unsere Ansprechpartner sind die Bundespartei". Kritisch äußerte sich der frühere ÖVP-Spitzenpolitiker und EU-Kommissar Franz Fischler.

Er gibt sich mit der – zuletzt von Generalsekretär Christian Stocker bekräftigten – Haltung der Bundespartei, Ermittlungsergebnisse und allfällige Urteile abzuwarten, nicht zufrieden. Die ÖVP müsste in der jetzigen Situation "initiativ sein", sie könne "nicht immer die getriebene Partei bleiben", sagte er im "Mittagsjournal". Aus Fischlers Sicht bräuchte man dringend neue Konzepte gegen Korruption, und Vorhaben wie das Informationsfreiheitsgesetz müssten endlich umgesetzt werden. Gefordert sei hier Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). "Über das Stadium des Würdigens sind wir schon ziemlich lang hinweg", befand Fischler, angesprochen auf die Würde als Regierungspartei. Auch mit Blick auf das Ansehen Österreichs sei Handeln dringend geboten: "Wir müssen den Ruf loswerden, dass wir sozusagen schlitzohrig sind."

Klasnic, die frühere steirische Landeshauptfrau, sieht im parteiinternen Verhaltenskodex vorgeschriebenen Werte wie Integrität, Anstand und Verantwortungsbewusstsein in der ÖVP "selbstverständlich" noch gegeben. "Es gibt in der kleinen Familie jemanden, der etwas nicht richtig macht. Und das gibt es auch in der großen Familie", war ihr Kommentar zur aktuellen Causa.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sieht das etwas anders: "Wir leben in einem Rechtsstaat. Das heißt, Gerichte allein entscheiden, wer sich etwas zuschulden hat kommen lassen und wer nicht", sagte sie am Montag zu den Vorwürfen des früheren Generalsekretärs Thomas Schmid. Mikl-Leitner erinnerte, sie habe das bei den Vorwürfen gegen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) gesagt, und "sage das bei Vorwürfen gegen jeden anderen genauso, egal welcher Partei jemand nahesteht. Und das muss für alle Menschen in unserem Land gleichermaßen gelten". Der Sachverhalt müsse vom Gericht überprüft und entschieden werden.

Kritik an Chats

Der Ethikrat hat sich zu den Korruptionsermittlungen gegen die ÖVP und (frühere) Spitzenrepräsentanten seit Oktober 2021 nicht mehr geäußert. Damals hatte das – 2012 unter der Ägide des damaligen Obmannes Michael Spindelegger eingerichtete – Gremium die in den Schmid-Chats bekannt gewordenen Aussagen von Sebastian Kurz kritisiert. "Die Wortwahl und der mangelnde Respekt in einigen der an die Öffentlichkeit gelangten Chats" seien "völlig unangemessen und abzulehnen", sie würden dem Verhaltenskodex widersprechen, hieß es, unter Hinweis darauf, dass die Chats "ohne Beachtung von Datenschutz und Privatsphäre öffentlich gemacht" worden und "aus dem Zusammenhang gerissen öffentlich" geworden seien.

Nicht beurteilen wollte der Ethikrat damals – unter Hinweis auf die Unschuldsvermutung – die in staatsanwaltschaftlicher Untersuchung befindlichen Sachverhalte. Aber man werde die weitere Entwicklung "aufmerksam beobachten und begleiten".

"Wir beobachten das sehr aufmerksam", hatte es – vonseiten des Ethikrat-Ersatzmitgliedes Herwig Hösele – im April 2022 auch geheißen, als in Vorarlberg die Inseratenaffäre aufbrach. Man müsse sich gezogene Konsequenzen erst gemeinsam genau anschauen und sehen, ob diese für eine Bereinigung ausreichten. Eine seriöse Bewertung werde einige Zeit dauern, sagte Hösele vor sechs Monaten.