Der ÖVP-Mandatar und frühere Klubobmann Reinhold Lopatka sammelt eifrig Flugmeilen: Zwischen Kiew, Istanbul und Moskau war er in den letzten Tagen intensiv unterwegs, um diskrete Gesprächsfäden zwischen den verfeindeten Kriegsparteien Russland und Ukraine zu weben. Lopatka tut dies im Auftrag der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Der Oststeirer fungiert dort als „Sonderbeauftragter für den parlamentarischen Dialog zur Ukraine“. Ein Job, den viele wollten, den die Parlamentarische Vereinigung der OSZE (OSZE-PV) aber Lopatka übertragen hat – weil er Vertrauen auf beiden Seiten genießt und schon in der Mittelschule Russisch lernte. „Ich habe in Russisch maturiert.“ Außerdem ist der 62-jährige Politiker als früherer Staatssekretär im Außenministerium und aktueller OSZE-PV-Vizepräsident international gut vernetzt.

"Ich bin nicht naiv"

Besondere Illusionen, demnächst als Friedensstifter in die Geschichte einzugehen, macht sich der 62-jährige Politiker freilich nicht. „Ich bin nicht naiv. Und lange genug dabei, um mich und meine Arbeit nicht überzubewerten“, sagt er. Ihm sei bewusst, dass sowohl russische als auch ukrainische Abgeordnete nichts ohne ihre Präsidenten tun.

Trotzdem glaubt er an die unverzichtbare Bedeutung der parlamentarischen Kontakte, die nach Gesprächen auf Regierungsebene und diplomatischer Tuchfühlung sozusagen die dritte Ebene der Staatengemeinschaft darstellen. „Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass man weiter miteinander reden kann“, schildert er sein Ziel. Und dafür hat er immerhin indirekt ein Uno-Mandat. In einem Beschluss vom 1. März forderte die Uno-Generalversammlung die OSZE auf, sich um eine Deeskalation im Ukrainekonflikt zu bemühen.

Erster Schritt: Gemeinsame Themen finden

Lopatka ist kein Militärexperte, war aber häufig als OSZE-Wahlbeobachter in den sowjetischen Nachfolgestaaten unterwegs. Er pflegt Kontakte etwa zum russischen Duma-Abgeordneten Piotr Tolstoi, einem direkten Nachfahren von Leo Tolstoi. Auch im ukrainischen Parlament Rada hat er Ansprechpartner. „Zuerst müssen wir Themen definieren, wo Gespräche möglich sind, dann einen Ort für ein Treffen“, erzählt er. Das sei zeitaufwendig, man stimme sich mit den Diplomaten ab. Zuletzt verbrachte der Steirer viel Zeit in Botschaften. Schwierige Partner sind nicht nur die Russen, sondern auch die Polen und die Vertreter aus dem Baltikum, die bei Friedensgesprächen argwöhnisch sind.

Wie lange der Krieg seiner Einschätzung nach dauern wird? „Ich fürchte, länger als uns allen recht sein kann“, sagt Lopatka. Beide Lager seien derzeit eher bereit, das Blutvergießen fortzusetzen, als Abstriche bei ihren Forderungen hinzunehmen. Zudem sei Wladimir Putin ein Experte für „frozen conflicts“, der Ukrainekrieg dauere ja schon seit 2014. Und Europa habe auch schon einen hundertjährigen Krieg erlebt.

„Umso wichtiger ist, dass man im Gespräch bleibt“, meint der Österreicher. Es gehe auch um humanitäre Fragen, die Behandlung von Gefangenen etwa. Europa habe in Sachen Demokratieaufbau nach 1989 viel geschafft, immerhin sind alle 15 Sowjet-Nachfolgestaaten heute Mitglied der OSZE. Sollte allerdings Russland (nach dem Europarat) auch diese Plattform verlassen, dann würden mindestens fünf weitere Verbündete sofort gehen. Lopatka: „Dann kannst du das Ganze eh vergessen.“