Es werde eine „stabile und handlungsfähige neue Bundesregierung“ geben, sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei der Präsentation heute Nachmittag. Das 300 Seiten starke Regierungsprogramm sei "ein Programm, das allen unseren Zielen gerecht wird". Und über das Procedere bei den Verhandlungen berichtete er: "Wir haben nicht versucht, uns gegenseitig auf Minimalkompromisse herunterzuverhandeln." Stattdessen habe man das Beste aus beiden Welten (der türkisen und der grünen) vereint.

"Konsequent" bei Migration

Als von der ÖVP eingebrachte Eckpunkte nannte Kurz besonders die Steuerreform, die Integrations- und Migrationspolitik sowie die Pflege und die Bildung. So werde als fünfte Säule der Sozialversicherung eine Pflegeversicherung eingeführt. In der Migration werde die "konsequente Linie" fortgesetzt, Kurz verwies etwa auf die Schaffung von Ausreisezentren, auf die neue Sicherungshaft sowie das Kopftuchverbot für Mädchen bis zum 14. Lebensjahr.

"Es war für beide Seiten eine Herausforderung", so Kurz mit Rückblick auf die Verhandlungen. Grünen-Chef Werner Kogler sieht das ähnlich: "Leicht haben wir es uns nicht gemacht, aber wir sind auch nicht dafür gewählt worden." Die Kompromissfindung sei "nicht nur schwierig, sondern anders" gewesen. "Manchmal hat es ein bisserl geknirscht."

Wagnis, Mut, Pionierpfad

Kogler hofft darauf, dass das Programm "Vorbildwirkung für Europa" entfalten werde. Die Werte der Demokratie und Menschenwürde seien vor kurzer Zeit noch gefährdet gewesen. In den Wahlen europaweit würden oft "die neuen Konservativen und die Grünen" als Sieger hervorgehen. Deshalb sei der nun geschlossene Pakt für ganz Europa von Bedeutung. "Das ist das Wagnis wert und den Mut, den wir für diesen Pionierpfad einschlagen", sagte er in leicht verdrehter Wortschöpfung.

Es gebe im Regierungsprogramm "Bereiche, Felder, Anliegen", die deutlich eine türkise bzw. deutlich eine grüne Handschrift trügen. Ob diese wechselseitigen Bereiche exakt jenem Verhältnis "Eins zu 2,7" (wie das Wahlergebnis) entspreche, das sei gar nicht entscheidend. Am Ende der fünf Jahre dürfe es nicht darum gehen, wer gewonnen hat bei den Verhandlungen. "Wenn alles gut geht, dann hat Österreich gewonnen."

Abschied vom Amtsgeheimnis

Kogler erwähnte Ibiza: Die Affäre habe ein Schlaglicht geworfen auf die Zustände. Es sei "gut so", dass die FPÖ nun nicht mehr in der Regierung sei - auch das müsse man sich vor Augen halten. Kogler wies auf das "größte Transparenzpaket", das es je gegeben habe - dieses würde nun umgesetzt. Das "mehr oder weniger altehrwürdige Amtsgeheimnis" werde abgeschafft - für Kogler "ein Weg zur gläsernen Republik."

Zwischen Grünen und ÖVP gebe es auch Übereinstimmungen - etwa das Ziel "mehr Europa". Bei Wirtschaft und Finanzen habe man sich "stark angenähert", Stichwort Nein zum Mercosur-Pakt. Und zur Klimapolitik: "CO2 soll einen Preis bekommen, auf welche Weise immer." Im Verkehr könnte "Manches teurer werden, aber der öffentliche Verkehr soll billiger werden", so der grüne Parteichef.

"Wir werden natürlich Mühe haben, das alles einzulösen", meinte Kogler zum Schluss. Und er verwies darauf, dass das Programm erst noch vom Grünen Bundeskongress bestätigt werden muss. Das sei "Tradition" bei den Grünen. Kogler: "Ich lege das besten Gewissens vor, auch in Kenntnis der Alternativen."

Gegen "Denunziation des Kompromisses"

Gefragt, ob nicht nach wie vor auch einiges von "Blau" im Programm stecke, entgegnete Kogler: "Ich wehre mich gegen die Denunziation des Kompromisses, sonst werden wir das Mehrheitswahlrecht einführen müssen." Das wollten die Grünen nicht.

Die Kopftuch-Frage

Ausdrücklich gefragt, wie er selbst zum Kopftuchverbot stehe, sagte Kogler: "Ja, das ist sehr ungewöhnlich. Ich persönlich konnte damit gar nichts anfangen. Aber die Begründung zielt ausdrücklich auf die Religionsmündigkeit ab." Es könne durchaus sein, "dass das sehr viel Dialog erfordert". Sebastian Kurz meinte zu möglichen Konflikten im Regierungsalltag: Es werde "wie bisher eine Regierungskoordination" geben. Die ÖVP sei unter anderem für das Versprechen, ein Kopftuchverbot einzuführen, gewählt worden.