Zuletzt hat es so gewirkt, als ob sich die FPÖ intensiver mit ihrer Vergangenheit beschäftigt ist als mit der Zukunft – Historikerkommission, Ibiza, Kickl. Wann kommen die Konzepte, die die FPÖ für die Zukunft hat?

Norbert Hofer: Wir haben abfragen lassen, welche Themen die Österreicher derzeit besonders bewegen. An allererster Stelle steht die Frage, welche Koalition es nach der Wahl geben wird. Man weiß auch, wo wir inhaltlich stehen. Es gibt das Regierungsprogramm von 2017, das wir fortsetzen wollen, ergänzt um einen Schwerpunkt „direkte Demokratie“ – das wird bei den Verhandlungen mit der ÖVP wohl der Knackpunkt werden.

Sie glauben, das wichtigste Thema für die Wähler sei, wer nach der Wahl mit wem koaliert?

Mit Abstand.

Sie haben sich festgelegt, mit der ÖVP weiterregieren zu wollen. Schränken Sie da nicht Ihren Spielraum ein, wenn die ÖVP weiß, Sie haben nur eine Option?

Es ist eine bewusste Einschränkung. In anderen Ländern ist es üblich, dass Parteien sagen, mit wem sie nach Wahlen in Koalition gehen. In Österreich war das bisher noch nie der Fall. Wir machen das zum ersten Mal, damit jeder weiß, wenn er seine Stimme abgibt, woran er ist. Für uns gibt es nur die Koalition mit der ÖVP oder Opposition. Das sind die zwei Möglichkeiten.

Ihr burgenländischer Landesparteichef Tschürtz wünscht sich auch im Bund eine rot-blaue Koalition unter Hans-Peter Doskozil.

Man muss verstehen, dass er im Burgenland in einer sehr erfolgreichen Koalition mit der SPÖ ist. Aber das ist nicht auf Bundesebene übertragbar. Erstens geht sich das mathematisch nicht aus, zweitens ist die Bundes-SPÖ anders aufgestellt als die SPÖ im Burgenland. Doskozil will sowieso Landeshauptmann im Burgenland bleiben, also die Frage stellt sich nicht.

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Zur direkten Demokratie: Im Regierungsprogramm war vorgesehen, dass Volksbegehren ab 900.000 Unterschriften verpflichtend zur Volksabstimmung führen.

Das möchte ich eben ändern. Die ÖVP hatte in den Regierungsverhandlungen 2017 Bedenken, dass bei einer geringeren Schwelle permanent kampagnisiert wird, von der Arbeiterkammer, der Opposition oder auch durch Medien – 900.000 konnte sie sich gerade noch vorstellen. Wir finden, dass diese Schwelle zu hoch ist. Direkte Demokratie funktioniert auch in anderen Ländern. Die Menschen bilden sich eine Meinung, dann wird abgestimmt. Die Schmerzgrenze sind für mich zehn Prozent, das sind rund 600.000 Unterschriften.

Dann wäre aus dem Rauchverbots-Volksbegehren eine Volksabstimmung geworden und das von der FPÖ bekämpfte Rauchverbot noch schneller gekommen.

Das ist das Wesen der direkten Demokratie. Und wie es ausgegangen wäre, das kann man nicht sagen, denn dann hätten auch beide Seiten ihre Argumente vorgebracht. Ich glaube, dass man damit die politische Diskussion in Österreich auf ein völlig neues Niveau hebt. Da würde weniger darüber diskutiert werden, welche Krawatte ein Politiker trägt, sondern welche Inhalte es gibt.

Heißt das, das ist eine absolute Bedingung für eine Koalition?

Ich kann mir schwer vorstellen, dass ich hier nachgebe. Ich habe mir vorgenommen, keine roten Linien zu zeichnen aber ich werde hier sehr hartnäckig sein.

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Sie haben auch den CO2-Ausstieg angesprochen. Derzeit ist Österreich auf Kurs, seine Verpflichtungen zu verfehlen.

Wir wollen den Weg fortsetzen, den ich als Infrastrukturminister begonnen habe. Die Dekarbonisierung im Individualverkehr zu unterstützen, auch durch Förderungen, das Netz an E-Tankstellen zu verdichten, aber auch jetzt in den Wasserstoff zu gehen. Der zweite Bereich ist der Öffentliche Verkehr. Es braucht die Nahverkehrs-Milliarde, damit nicht nur Wien unterstützt wird, sondern auch andere Städte.

Bis wann soll Individualverkehr ohne CO2-Ausstoß funktionieren?

Ich glaube, der große Schwung wird mit dem autonomen Fahren Mitte der 2030er kommen. In den 2040ern sollte der Verkehr völlig dekarbonisiert sein.

Das ist doch viel zu spät, wenn man sich die aktuellen Klimaberichte der UNO anschaut.

Es gibt eine Maßnahme, die rasch wirkt und die wollten wir auch umsetzen: den Bio-Anteil im Sprit zu erhöhen. Wenn ich von E5 auf E10 gehe, habe ich sofort massive Ergebnisse.

Das bringt weitem nicht genug, um die Ziele zu erreichen.

Aber es ist eine sofort wirksame Maßnahme, die ich im Augenblick umsetzen kann. Aber den größten Brocken erreiche ich über Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Es muss so attraktiv sein, mit den Öffis zu fahren, dass ich das wirklich nutze.

Eine andere sofort umsetzbare und wirksame Maßnahme wäre die Reduktion von Tempolimits. Genau das Gegenteil, was Sie als Minister mit ihrem 140er-Pilotversuch angedacht haben.

Ich habe einen anderen Zugang. Ich bin dafür, die Dekarbonisierung rasch voranzutreiben, weil dann die Geschwindigkeit keine Rolle spielt. Was ich noch vorschlage: dass wir nicht nur bei den Förderungen ansetzen. Wir müssen weiterhin massiv in Photovoltaik investieren und einen eigenen großen Förderschwerpunkt in die Speichertechnik setzen. Und wir müssen in der Steuerpolitik ansetzen, und Energie aus Erneuerbaren anders besteuern als Fossile oder Kernkraft.

Woher soll das Geld kommen?

Es ist umgekehrt: Es wird sehr teuer, wenn wir es nicht tun.

Eine CO2-Steuer haben Sie ausgeschlossen.

Wir haben mit der Mineralölsteuer schon eine CO2-Steuer – die viel treffsicherer wirkt als zum Beispiel die Nova.

Glauben Sie, dass sich das mit dem jetzigen Budget ausgeht?

Ja, das geht sich aus. Man darf nicht vergessen, dass erneuerbare Energie im Land produziert wird, dass im Land dadurch Arbeitsplätze entstehen und dadurch wieder Steueraufkommen vorhanden sind. Das geht sich aus.