Leicht gemacht haben es ihm die Parteien nicht. Aber letztlich hat es Alexander Van der Bellen geschafft, trotz einer verfahrenen innenpolitischen Situation mit Brigitte Bierleineine Regierungschefin zu finden, mit der alle zufrieden sind. Nebenbei gelang es dem Staatsoberhaupt, mit der ersten Kanzlerin auch ein gesellschaftspolitisches Zeichen zu setzen.

Eigentlich hatte Van der Bellen mit Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen um Experten angereichertem Kabinett bis zur Neuwahl weiter machen wollen. Der Haken: Rote und Blaue machte nicht mit, was das Staatsoberhaupt sichtlich wenig freute. Doch hatte Van der Bellen auch für Kurz, mit dem ihn ein gutes Verhältnis verbindet, nicht nur Freundlichkeiten parat. Seine Aussage, dass man Gespräche mit anderen nicht nur dann führen solle, wenn man diese brauche, war wohl auf den Altkanzler gemünzt.

Ein Atout in der ganzen Angelegenheit war eine Zufälligkeit. Dass seine Heimatpartei, die Grünen, just jetzt nicht im Nationalrat vertreten sind, sicherte dem Präsidenten die größtmögliche Unabhängigkeit auch in der öffentlichen Wahrnehmung zu.

Als moralische Autorität ist der väterlich anmutende Präsident mittlerweile ohnehin anerkannt und konnte dies bei den laufenden Gesprächen in die Waagschale werfen. Zudem ist noch gut in Erinnerung, dass er die für einen ehemaligen Grünen-Chef mehr als heikle Angelobung der türkis-blauen Regierung zwar etwas zerstreut, aber durchaus dem Anlass angemessen über die Bühne gebracht hatte.

Nie ein klassischer Parteisoldat

Der klassische Parteisoldat war das ehemalige SPÖ-Mitglied soundso nie. Peter Pilz war es, der ihn zu den Grünen holte, zunächst als Kandidat für den Rechnungshof, später als Abgeordneten. Ein bisschen fremdelte die Basis mit dem Volkswirtschafter, der ideologisch in kein fixes Kästchen einzuordnen war, stets. Dennoch setzte man den Sohn estnischer Einwanderer, der im Tiroler Kaunertal aufgewachsen war, 1997 an die Parteispitze.

Elf Jahre sollte er dort verweilen, für die Grünen eine bis zu Van der Bellen undenkbar lange Zeitspanne. Das Image des sehr guten, oft auch launigen Redners war über die Parteigrenzen hinweg und auch in der Bevölkerung ein gutes. Die Wahlergebnisse waren mal so, mal so. Jedenfalls gelang es in seiner Ära, die Grünen zur stabilen staatstragenden Partei umzumodeln.

Größe Enttäuschung seiner Karriere

Wohl die größte Enttäuschung seiner parteipolitischen Karriere war, dass es 2003 nicht zur schwarz-grünen Koalition kam, weil sich VP-Chef Wolfgang Schüssel letztlich mit den Freiheitlichen doch für den billigeren Partner entschied. Danach brauchte es einige Zeit, bis sich Van der Bellen wieder motiviert hatte.

2012 verließ er das Hohe Haus nach stolzen 18 Jahren, davon rund neun als Klubobmann, und wechselte nach Wien, eine Vorzugsstimmenkandidatur hatte sich bei der Gemeinderatswahl in der Bundeshauptstadt als Eigentor erwiesen, nahm Van der Bellen das Mandat nämlich trotz erfolgreicher Kampagne nicht an und erlitt damit eigentlich erstmals einen Imagekratzer. Ebenfalls nicht unumstritten war sein Versorgungsposten als Universitätsbeauftragter der Stadt Wien.

Mit 70 ein zweiter Frühling

Doch der Wähler bescherte Van der Bellen mit über 70 einen zweiten Frühling. Ins vom Frust über Rot-Schwarz entstandene Wähler-Vakuum stieß er mit einer cleveren Präsidentschaftskandidatur, die ganz neue Seiten des Hundefreunds präsentierte. Van der Bellen zeigte sich einerseits als Heimat-Politiker, verblüffte andererseits mit einem wenig staatstragenden Scheibenwischer in einer TV-Konfrontation mit seinem Kontrahenten Norbert Hofer von der FPÖ, den er schließlich im dritten Anlauf einer epischen Wahlschlacht recht knapp bezwingen konnte.

Sein Amt legte Van der Bellen nicht so unähnlich seinem Vorgänger Heinz Fischer an, vielleicht weniger leutselig, dafür noch entspannter, beispielhaft dafür seine Spaziergänge mit Hund in der Wiener Innenstadt. Zu Wort meldete sich das Europa- und Umweltthemen stark zugewandte Staatsoberhaupt nicht bei jeder Gelegenheit, sondern nur, wenn es ihm wichtig erschien, etwa wenn es ums Rütteln an der Menschenrechtskonvention oder die Art der Umsetzung des "12-Stunden-Tags" ging. Bei der Regierungsbildung war ihm bewusst, dass er Türkis-Blau nicht ohne mittlere Staatskrise verhindern könnte, setzte aber mit der prophylaktischen Ablehnung von Harald Vilimsky und Johann Gudenus sein Zeichen.

Zuletzt war Van der Bellen, der Vater zweier Söhne ist und in zweiter Ehe mit der früheren Grünen-Mitarbeiterin Doris Schmidauer verheiratet ist, nachgesagt worden, trotz fortgeschrittenen Alters eine zweite Hofburg-Kandidatur zu überlegen. Nach seinem Vorgehen in den vergangenen Tagen werden sich das nicht wenige wünschen.