Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat das auf massive Kritik gestoßene Schreiben seines Ressortsprechers über die Arbeit mit kritischen Medien am Dienstagabend zurückgewiesen. "Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit 'kritischen Medien' finden nicht meine Zustimmung", so Kickl in einer Aussendung. Der verantwortliche Mitarbeiter gesteht darin einen Fehler ein - neue Richtlinien sollen folgen.

Kickl hat nach eigenen Angaben ein "klärendes Gespräch" mit Ministeriums-Sprecher Christoph Pölzl geführt. Pölzl hatte in einem Mail an die Landespolizeidirektionen empfohlen, die Zusammenarbeit mit kritischen Medien auf das nötigste Maß zu beschränken. Außerdem fordert er darin, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tatverdächtigen zu nennen und Sexualdelikte verstärkt zu kommunizieren.

Nachdem Kickl für die Vorgehensweise seines Ressortsprechers massiv kritisiert worden war (auch vom Koalitionspartner ÖVP), versicherte der FPÖ-Minister, dass das Mail keine Einschränkung der Pressefreiheit zum Ziel habe. "Die Pressefreiheit ist unantastbar und ein wesentlicher Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft", so Kickl in der Aussendung.

"Feld für Interpretationen"

Pölzl selbst erklärte in der Aussendung, "dass die Formulierung der kritisierten Passagen ein Fehler war, weil dadurch ein Feld für Interpretationen aufgemacht wurde". Ihm sei eine transparente Kommunikationspolitik gegenüber der Bevölkerung und damit natürlich auch gegenüber den unterschiedlichen Medien wichtig.

Auf die umstrittene verpflichtende Nennung der Staatsbürgerschaft von Tatverdächtigen gehen weder Kickl noch Pölzl ein. Kickl bekräftigt allerdings, dass Pölzl gemeinsam mit Präsidialsektionschef Karl Hutter und dem Kommunikations-Abteilungsleiter Alexander Marakovits neue Leitlinien für die Kommunikationsarbeit formulieren soll. "Diese Leitlinien sollen einerseits eine Gleichbehandlung aller Medien auf einer guten Vertrauensbasis, andererseits auch eine einheitliche Kommunikation im Sinne größtmöglicher Transparenz gegenüber den Bürgern sicherstellen", heißt es. Damit einhergehen solle auch eine strukturelle Neuaufstellung der Kommunikationsagenden mit dem Ziel, die Verantwortung für die Medienkommunikation auf eine breitere Basis zu stellen.

"Kurier" und "Standard" hatten zuvor über ein Mail des Innenministeriums an diverse Polizeidienststellen berichtet, wonach die Kommunikation mit kritischen Medien wie "Kurier", "Standard" oder "Falter" auf das Nötigste - rechtlich vorgesehene - Maß zu beschränken sei und es keine "Zuckerl" geben soll, weil diese Medien laut Innenministerium einseitig und negativ berichten würden.

Darüber hinaus wird in dem Schreiben darauf hingewiesen, bei der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte, die in der Öffentlichkeit begangen werden, offensiver zu kommunizieren.

Die Aufregung in den Medien war ob der in den Raum gestellten Info-Sperre gegen kritische Zeitungen groß. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte auf die schlechten Nachrichten aus Wien am Rande der UNO-Generalversammlung in New York. Er rügte das Innenministerium für das durchgesickerte Vorhaben. "Für einen freien und unabhängigen Journalismus im Land tragen besonders Parteien und Regierungsinstitutionen sowie öffentliche Einrichtungen eine hohe Verantwortung. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist nicht akzeptabel", teilte Kurz über den großen Teich in Richtung Kickl mit.

"Die Ausgrenzung oder der Boykott von ausgewählten Medien darf in Österreich nicht stattfinden. Das gilt für die Kommunikationsverantwortlichen aller Ministerien und öffentlichen Einrichtungen", so der Bundeskanzler. Aus New York meldete sich auch der Bundespräsident zu Wort. "Die Freiheit der Meinungsäußerung, die Medien- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates in Österreich. Jede Einschränkung von Pressefreiheit ist inakzeptabel", stellte Van der Bellen klar. Eine Diskriminierung einzelner Medien dürfe es nicht geben, alle sollten den gleichen, freien Zugang zu Informationen haben.

Die türkise Staatssekretärin im Innenministerium Karoline Edtstadler ging unterdessen auf Distanz. "Sie wissen, dass ich nicht nur eine Kennerin, sondern auch eine Verfechterin der Europäischen Menschenrechtskonvention bin", sagte Edtstadler am Rande einer Pressekonferenz. Dazu gehöre das Recht auf Meinungsfreiheit "und darin beinhaltet ist auch die Pressefreiheit. Das steht nebenbei auch in Österreich im Verfassungsrang und daher ist für mich jede Einschränkung der Meinungsfreiheit oder auch der Pressefreiheit inakzeptabel."

Scharfe Kritik am Innenminister setzte es seitens der Oppositionsparteien. Die SPÖ legte Kickl den Rücktritt nahe, NEOS und Liste Pilz wollen Kickl mit der Causa im Parlament konfrontieren. Der Innenminister wird sich am Dienstag einer Dringlichen Anfrage der NEOS stellen, auch ein neuerlicher Misstrauensantrag steht im Raum. SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda nannte die "Empfehlungen" des Innenministeriums einen "Maulkorberlass für unabhängige Medien". NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah bei Kickl alle Hemmschwellen fallen. "Kritische Stimmen zu bestrafen und gefügige Medien zu belohnen, kennt man eigentlich nur aus illiberalen Autokratien. Kickl ist ein echtes Risiko geworden - er ist endgültig rücktrittsreif." Die Liste Pilz stellte in einer Anfrage 50 Fragen an den Innenminister.

FPÖ Burgenland verteidigt BMI

Die burgenländische FPÖ verteidigte unterdessen die Pläne des Innenministeriums hinsichtlich des Umgangs mit kritischen Medien. Bei der BVT-Affäre sei ein falsches Bild in den Medien gezeichnet worden. "Daher darf man sich nicht wundern, wenn eine Anregung ergeht, die erlassmäßig geregelte Öffentlichkeitsarbeit behutsam durchzuführen", so Landesparteisekretär Christian Ries per Aussendung.

Der sachliche und vorsichtige Umgang mit der Presse sei jedoch keine Zensur. "Wenn ich mir etwa anschaue, was Medien aus der Hausdurchsuchung im BVT gemacht haben, dann hat das mit Pressefreiheit nur mehr entfernt zu tun", meinte der Landesparteisekretär. Dieses falsche Bild sei bis heute nicht berichtigt worden.

Heftige Kritik

Heftige Kritik setzte es hingegen von Medien, Journalistengewerkschaft sowie Journalisten- und PR-Vereinigungen wie dem Presseclub Concordia, Reporter ohne Grenzen, der Initiative Qualität im Journalismus (IQ), dem Österreichischen Journalisten Club (ÖJC), dem Public Relations Verband Austria (PRVA) oder dem PR-Ethik-Rat. Die Empfehlungen des Innenministeriums zum Umgang mit kritischen Medien sorgten auch für internationale Reaktionen. Eine Rüge inklusive Warnungen vor Einschränkung der Pressefreiheit kam vom Internationalen Presse-Institut (IPI) mit Sitz in Wien, einem 1950 gegründeten Netzwerk von Journalisten und Verlegern zur Verteidigung und Stärkung der Medienfreiheit, dem Vertreter aus über 100 Ländern angehören.

Experten kritisierten aber nicht nur die Sanktionierung kritischer Medien, sondern auch die Überlegungen des Innenressorts in der polizeilichen Medienarbeit künftig generell die Herkunft von Tätern zu nennen und Sexualdelikte offensiver zu kommunizieren. Es gehe dem Ministerium offenbar darum, die Berichterstattung strategisch zu steuern, um Vorurteile und falsche Einstellungen zu verstärken, so der Vorwurf.