Die Polizei sucht derzeit intensiv nach neuen Beamten, was allerdings nicht ganz einfach sein dürfte. "Die Bewerberzahlen gehen nach unten", räumte Alexander Marakovits, Leiter der Kommunikationsabteilung im Innenministerium, im APA-Gespräch ein. Deshalb sucht das Ressort andere Rekrutierungsmethoden, bis hin zu einem Stand in Kroatien bei der Maturareise X-Jam. Das löste nun heftige Kritik aus.

Das Innenministerium will in den nächsten Jahren 4.100 neue Polizisten einstellen, um einerseits Pensionierungen zu kompensieren, andererseits um Beamte überhaupt neu aufzunehmen. Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac räumte im APA-Gespräch ganz offen ein, dass die Suche nach potenziellen Polizisten "durchaus herausfordernd und schwieriger als in früheren Jahren" sei. Grund sei in erster Linie die hohe Zahl der Neuaufnahmen.

Schwierige Suche nach geeignetem Nachwuchs

Aus anderen Bundesländern versichern die offiziellen Stellen, dass die Rekrutierung gut läuft. Doch unter der Hand schildern Beamte, dass es trotz etwas vereinfachter Aufnahmekriterien - so gelten sichtbare Tätowierungen nicht mehr von vornherein als Ausschlussgrund - sehr schwierig ist, ausreichend geeigneten Nachwuchs zu bekommen.

© (c) BMI/Gerd Pachauer

Um den zusätzlichen Bedarf angesichts dieser bereits hohen Zahlen zu decken, rühre man verstärkt die Werbetrommel für den Polizistenberuf, wie Tomac erläuterte: Im Print-Bereich, auf Social Media sowie auch auf Berufsmessen. Das Innenministerium denkt da offenbar weiter.

So waren Marakovits persönlich und die Leiterin der Pressestelle des Innenministeriums, Viktoria Preining, am vergangenen Wochenende mit einem dafür gebrandeten Recruiting-Audi und einem Werbezelt beim X-Jam auf der Halbinsel Lanterna in Kroatien. Dokumentiert wurde dies auf der Facebook-Seite des Innenministeriums. Zu sehen ist unter anderem ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und einer Handpose, die man auch als den Wolfsgruß der türkisch-faschistischen Grauen Wölfe interpretieren könnte. Preining kommentierte die Aktion bei Porec mit einigen Hashtags auf ihrer Instagram-Präsenz: "#croatia #xjam #specialmission #lovemyjob #sundowner #soschön", war da zu lesen.

Marakovits erläuterte diese Initiativen der APA so: "Das X-Jam ist ein Teil des Rekrutierungsprogramms. Wir haben dort 100 Prozent Treffsicherheit - exakt die Zielgruppe und keine Streuung." Dass dabei der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und die Leiterin der Pressestelle persönlich anreisen, fand Marakovits nicht ungewöhnlich: "Wir sind da, weil wir ein Recruiting-Team sind. Ich verantworte das Projekt und muss evaluieren, was das bringt." Anfang Juni war das Duo beim Erzberg-Rodeo in der Steiermark, ebenfalls mit dem Audi, und Marakovits baute wieder ein Zelt auf. Zu sehen war dies ebenfalls auf der Instagram-Präsenz von Preining mit Feierfotos und der Info über den Zeltaufbau.

Konventionelles Werben chancenlos

Das Projekt sei entstanden, weil man mit normalen Recruiting-Methoden die Wahl habe: "Entweder wir haben leere Polizeiklassen oder wir gehen dorthin, wo wir die Zielgruppe treffen. Wir wollen die Marke Polizei dort etablieren, wo junge Leute sind." Marakovits verwies auf viele Influencer und Blogger, die vom X-Jam berichten würden. "Das ist nicht nur Party. Das ist ein 24-Stunden-Dienst."

Ähnlich argumentierte er die Anwesenheit beim Erzberg-Rodeo. Man habe dort einen guten Standplatz gehabt und "gutes Feedback von gestandenen Polizisten" bekommen. Am Wochenende 30. Juni/1. Juli sind Zelt und Auto mit Preining und Marakovits übrigens in Spielberg beim Formel-1-Rennen.

Weit kritischer sehen Insider im Ministerium diese Reisen. Sie fragen zum Beispiel, warum am Wochenende des Donauinselfestes in Wien mit 2,4 Millionen Besuchern auf Steuergeld eine Recruiting-Reise nach Kroatien mit etwa 6.500 Teilnehmern gemacht wird und das entsprechende Werbe-Material in Wien nicht zur Verfügung stand. Die Wiener Polizei beschränkte sich auf das Verteilen von Infoblättern, hatte aber keinen eigenen Recruiting-Stand.

"Fassungslos"

"Man ist fassungslos, wenn man diese Methoden sieht", sagte der sozialdemokratische Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger (FSG) zur APA. "Es ist alles Inszenierung. Man inszeniert sich und zeigt, was man hat. Und vergisst dabei, dass wir 95 Prozent der Beamten für den ganz normalen Dienst in den Inspektionen benötigen." Der Gewerkschafter ortete eine "totale Inkompetenz in Sachen Ausbildung". Man müsse allerdings auch "die Versäumnisse der letzten 17 Jahre" ausbaden.

Die NEOS-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper kündigte in Zusammenhang mit diesen Recruiting-Methoden eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an. "Das wäre nun eine weitere Causa, in der der Herr Innenminister mit unseren Fragen konfrontiert wird. Denn nachdem er für die Rekrutierungen von Polizeibeamten in rechten bzw. weltverschwörerischen Zeitungen und Zeitschriften inserierte, hat der Herr Innenminister nun einen für Recruiting zuständigen Abteilungsleiter, der vermeintlich unter Vorwand von 'Recruiting' Partyreisen mit seiner engsten Mitarbeiterin, der Leiterin der Pressestelle, unternimmt", kritisierte die Mandatarin gegenüber der APA.

Krisper will unter anderem wissen, welche Kosten die Reisen verursacht haben, und in Zusammenhang mit der Tour nach Kroatien, ob auch im Ausland nach Mitarbeitern gesucht werde. Weiters geht es um die Inserate in "rechten bzw. weltverschwörerischen Zeitungen". Krisper fragt unter anderem, welche Strategien das Innenministerium verfolge, wenn es Werbeplattformen für die Personalwerbung aussuche.

Hintergrund für letztere Fragen ist vor wenigen Wochen aufgekommene Kritik an der Inseratplatzierung des Ressorts im Zusammenhang mit der Rekrutierung von Bewerbern für den Polizeiberuf: Im Mai wurde bekannt, dass das Innenministerium Anzeigen in der Zeitschrift "Alles Roger?" schaltete. SPÖ-Chef Christian Kern hatte die Regierung im Mai aufgefordert, finanzielle Zuwendungen an das Blatt einzustellen, werde dort doch "antisemitische Hetze" aus österreichischem Steuergeld betrieben. Auch Inserate im oberösterreichischen Online-Portal "Wochenblick" - mehrfach vom Presserat gerügt bzw. verurteilt - wurden kritisiert.