Nun hat die Untersuchungskommission des Verteidigungsministeriums noch mehr zu tun. Nachdem die Kleine Zeitung am Freitag exklusiv darüber berichtete, dass das umstrittene „Golan-Video“ Soldaten bei der Einsatzvorbereitung gezeigt worden war, ist auch das Gegenstand der Untersuchungen. Man will klären, „welcher Personenkreis der verantwortlichen Kommandanten zu welchem Zeitpunkt von dem Video Kenntnis hatte“.

Das verstörende Video, das den tödlichen Angriff auf syrische Geheimpolizisten im September 2012 zeigt, rückte den 39  Jahre lang dauernden Blauhelmeinsatz des Bundesheers auf den Golanhöhen schlagartig wieder in den Fokus. Denn die Bilder verdeutlichen, wie sich eine eher beschauliche Mission binnen Monaten in einem explosiven und verworrenen Kriegsschauplatz wiederfand.

Cooking and looking

„Cooking and looking“, lautete davor augenzwinkernd die Devise in der Pufferzone zwischen Syrien und Israel. Unsere Blauhelme hatten zu beobachten und zu melden, bewaffnete Kämpfe waren in der demilitarisierten Zone nicht zu erwarten. Die größte Herausforderung bestand darin, die Winter am weltweit höchsten UN-Beobachtungsposten „Hermon Hotel“ auf 2800 Metern in wochenlanger Isolation zu überstehen. Ungefährlich war der Einsatz dennoch nicht. In 39  Jahren kamen 23 österreichische Soldaten ums Leben. Vier davon gleich zu Beginn der Mission 1974, als ihr Fahrzeug von einer Panzermine zerfetzt wurde. Doch die Österreicher gewannen den Respekt der Bevölkerung und der Autoritäten. Davon zeugt eine Anekdote: Während einer Silvesterfeier wurden aus einer UN-Position Waffen gestohlen. Tage später brachten Angehörige der syrischen Geheimpolizei Mukhbarat den verdutzten Blauhelmen die brisante Beute zurück.

Generalmajor Martin Dorfer war 2011 höchster österreichischer Offizier am Golan
Generalmajor Martin Dorfer war 2011 höchster österreichischer Offizier am Golan © Bundesheer/Karlovits

Just zu Beginn des Arabischen Frühlings im April 2011 plante das UN-Hauptquartier in New York aus Spargründen gepanzerte Fahrzeuge aus Syrien abzuziehen. „Ich musste argumentieren, warum das nicht geht“, erinnert sich Generalmajor Martin Dorfer, im Jahr 2011 Stabschef im UNDOF-Hauptquartier, an eine Videokonferenz. Für ihn gab es zu diesem Zeitpunkt schon einige Anzeichen dafür, „dass da etwas auf uns zukommt“. Als im Mai Palästinenser einen Grenzzaun zu Israel stürmten und Schüsse fielen, griffen die UN-Truppen aktiv ein. „Vermutlich wurden dadurch Leben gerettet. Doch unsere Intervention war nicht unumstritten und hat danach einen Diskussionsprozess ausgelöst“, erzählt Dorfer.
Nach den ersten Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen spielte das Kommando im Camp Faouar Szenarien durch. Das große Problem lag im schwachen Mandat der UN-Truppe. Dorfer: „Wir sind von den beiden Konfliktparteien ja nur eingeladen und haben keine zivilen Befugnisse. Israel und Syrien sind unsere Schutzmacht und damit für unsere Sicherheit verantwortlich“.

Im Hinterkopf hatte man dabei auch das Massaker von Srebrenica, als während des Bosnienkriegs 1995 vor den Augen holländischer UN-Truppen rund 8000 Bosniaken ermordet wurden. Was tun, wenn plötzlich Hunderte Zivilisten Schutz in einem Camp der Blauhelme suchen? Das UN-Mandat untersagte jede Einmischung in innersyrische Angelegenheiten.

Mehr Schutz für Soldaten

Ab 2012 gerieten die Österreicher zunehmend zwischen die Bürgerkriegsfronten. Das Bundesheer versuchte seine Soldaten noch besser zu schützen. Sie erhielten etwa stärkere Schutzwesten und Erste-Hilfe-Pakete mit Morphiumspritzen. Der Versuch, Pandur-Radpanzer und stärkere Nachtsichtgeräte von Panzerlenkwaffen ins Einsatzgebiet zu schaffen, scheiterte. „Die UNO lehnte ab, weil es nicht dem Mandat entsprach. Aber auch Syrien stimmte nicht zu“, weiß General i. R. Günter Höfler, bis Dezember 2012 Kommandant der Streitkräfte.

Nur diesen Pandur in der Sanitätsversion konnte das Bundesheer ins Einsatzgebiet bringen
Nur diesen Pandur in der Sanitätsversion konnte das Bundesheer ins Einsatzgebiet bringen © Wilfried Rombold

Nach dem von der Bundesregierung angeordneten überstürzten Abzug der Österreicher Mitte 2013 schien die ganze Mission in Gefahr. Doch es gibt UNDOF noch, seit dem Vorjahr sogar mit einem robusteren Mandat. „Das war die Bedingung der Iren, um sich zu beteiligen. Die UNO hätte sonst kaum geeignete Truppen gefunden“, sagt Höfler.

Robustere Mandate

Überhaupt hätten die Vereinten Nationen aus den Vorfällen gelernt. „Peacekeeping-Missionen nach Artikel 6 gibt es kaum noch, sie sind robuster“, so Höfler. Tragödien wie Bosnien und Ruanda nagten am Ruf der Friedenstruppe. Deren Schwäche liege auch im System der Bereitstellung, meint Höfler: „Die UNO eröffnet eine Mission und ruft Länder auf, sich zu beteiligen. Im Unterschied dazu weiß die Nato genau, was die Staaten können, und arbeitet nur mit zertifizierten Partnern.“