Die britische Premierministerin Theresa Maymuss sich auf eine historische Niederlage bei der Abstimmung zu ihrem Brexit-Deal am heutigen Dienstagabend gefasst machen. Britische Medien rechnen damit, dass ihr mehr als 100 Stimmen aus dem eigenen Lager fehlen könnten. Dennoch will May offenbar am Brexit festhalten - dies berichten britische Medien wie die "Sun".

Brexit-Minister Stephen Barclay hatte schon vor einer Woche einen Medienbericht zurückgewiesen, die britische Regierung prüfe die Möglichkeit einer Verschiebung des EU-Austrittstermins. "Wir verlassen die Europäische Union am 29. März. Wir streben keine Verlängerung an."

Noch am Montag hatte May versucht, die Abgeordneten mit einem leidenschaftlichen Appell umzustimmen. Nur die Zustimmung zum Austrittsabkommen könne einen chaotischen EU-Austritt am 29. März oder eine Abkehr vom Brexit verhindern, warnte May. "Geben Sie diesem Deal eine zweite Chance", rief sie den Abgeordneten zu.

Ob der Appell der Premierministerin Wirkung zeigen wird, ist allerdings fraglich. Trotz neuer Zusicherungen aus Brüssel werden May kaum Chancen eingeräumt, eine Mehrheit für ihren Deal zu bekommen. Zu groß ist der Widerstand dagegen.

Debatte ab 13 Uhr

Die Debatte im Unterhaus soll voraussichtlich um kurz vor 13.00 Uhr (MEZ) beginnen. Mit Abstimmungen wird von 20.00 Uhr an gerechnet. Die Abgeordneten haben die Möglichkeit, die Beschlussvorlage der Regierung vor dem eigentlichen Votum abzuändern. Wie viele Änderungsanträge zur Abstimmung zugelassen werden, war zunächst unklar.

Die Abgeordneten könnten damit neben der Ablehnung von Mays Deal eine Richtung vorgeben, wie es weitergehen soll, oder die Zustimmung mit Bedingungen verknüpfen. Doch noch zeichnet sich für keine der möglichen Optionen eine Mehrheit ab. Zu den Forderungen zählt unter anderem eine zeitliche Befristung der Garantie einer offenen Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland (Backstop), wie sie im Austrittsabkommen festgeschrieben ist.

EU war keine Hilfe

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk sprangen May am Montag mit einem langen Brief zur Seite, um die Bedenken der Kritiker im Parlament auszuräumen. Die nordirisch-protestantische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, bezeichnete diese Zusicherungen jedoch als "bedeutungslos". Erwartet wird, dass May nach einer Niederlage erneut versuchen könnte, der EU Zugeständnisse abzuringen, um ein zweites Mal über eine Vereinbarung abstimmen zu lassen.

Die deutsche Bundesregierung wies am Dienstag in der Früh einen Bericht der britischen Zeitung "The Sun" zurück, dem zufolge die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel May Hilfe über die bisherigen Zusagen der EU hinaus zugesichert habe. Der Inhalt eines Telefongesprächs Merkels mit May werde von der Zeitung falsch wiedergegeben, erklärte ein Regierungssprecher in Berlin. Die Zeitung hatte berichtet, dass May nach einer Hilfszusage Merkels neue Hoffnung habe, doch noch ein Brexit-Abkommen in einer zweiten Abstimmung durch das Unterhaus zu bringen.

Opposition geschlossen dagegen

Neben der DUP haben sich etwa 100 Abgeordnete aus dem Regierungslager bereits gegen das Abkommen ausgesprochen. Die Oppositionsparteien wollen geschlossen gegen Mays Deal stimmen. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte im Fall einer Niederlage Mays ein Misstrauensvotum im Parlament an. Wann genau, ließ er offen.

Auch bei einer Niederlage der Regierung ohne Vorgaben des Parlaments wäre nicht klar, was als nächstes passiert. Viele Abgeordnete forderten am Montag, den EU-Austritt zu verschieben - eine Möglichkeit, die auch in Brüssel nicht mehr ausgeschlossen wird. Doch das lehnte May am Montag vehement ab.

Sollte das Parlament sich auch in den kommenden Wochen nicht auf ein weiteres Vorgehen einigen, droht ein Austritt ohne Abkommen mit dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche.