Geprägt war der Wettlauf zur Hofburg von einem Lagerwahlkampf zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer - und der Länge: Die FP-Anfechtung der Stichwahl, deren Aufhebung und die Verschiebung nach dem Wahlkarten-Desaster sorgten für rund ein Jahr Dauerwahlkampf.

Zu Beginn ahnte davon freilich niemand etwas. In einem Entwurf zu einem "Fairnessabkommen" im Jänner sprach Van der Bellen noch davon, einen "kurzen" Wahlkampf sicherstellen zu wollen. Auch war - selbst nach Bekanntgabe der Kandidaten - noch keine Rede von einem derart zugespitzten Rennen, wie es sich nach dem ersten Wahlgang am 24. April dann entwickelte.

Den Startschuss gab Irmgard Griss ab: Die ehemalige OGH-Richterin, die sich mit der Leitung der Hypo-Kommission einen Namen gemacht hatte, gab am 17. Dezember als erste ihr Antreten als "unabhängige Kandidatin" bekannt. Ihr gleich tat es im Jänner der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, der nach anfänglichem Zögern schließlich doch dem Drängen seiner Parteifreunde nachgab. Erwartbar war auch der Kandidat der SPÖ, die ihren Sozialminister Rudolf Hundstorfer ins Rennen schickte.

Die Kandidaten-Suche bei FPÖ und ÖVP gestaltete sich hingegen schwieriger. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sah sich mit der kurzfristigen und letztlich doch unerwarteten Absage von Wunsch-Kandidat Erwin Pröll konfrontiert - und schickte nur drei Tage nach Bekanntwerden von Prölls Nein den ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol ins Rennen - ein Umstand, der ihm von Beginn an den Ruf des "Verlegenheitskandidaten" einbrachte.

Am längsten Zeit ließ sich die FPÖ: Nachdem der damalige Rechnungshof-Präsident Josef Moser abgewint hatte, blieb der freiheitlichen Parteispitze die Wahl zwischen der recht frisch von der ÖVP zur FPÖ gewechselten Ursula Stenzel und dem Dritten Nationalratspräsidenten Hofer, der sich mit Verweis auf sein vergleichsweise jugendliches Alter aber zunächst standhaft weigerte, die Aufgabe auf sich zu nehmen. Nachdem bereits alle Zeichen auf Stenzel deuteten, gab es massiven parteiinternen Widerstand - und Strache präsentierte dann doch den nach einem vor Jahren erlittenen Paragleiter-Unfall gehbehinderten Hofer als Kandidat der FPÖ.

Hart, aber noch verbindlich im Ton

Geprägt war der Wahlkampf anfangs u.a. von der Flüchtlingskrise des Jahres 2015: Khol fuhr eine harte Linie und nahm Anleihen bei der FPÖ ("Ich bin ein Freund der Nächstenliebe, die Nächstenliebe kann aber nicht nur eine Fernstenliebe sein"), und auch Hundstorfer attestierte, man könne "nicht die Welt retten". Hofer gab sich schon damals hart in der Sache, aber verbindlich im Ton.

Für Aufregung sorgte von Beginn an die Debatte um das Amtsverständnis Hofers bzw. Van der Bellens: Während Hofer mit seiner Ankündigung, er hätte die Regierung im Herbst 2015 wegen deren Agieren in der Flüchtlingskrise entlassen, scharf kritisiert wurde, sorgte Van der Bellen bei der FPÖ für Ärger: Er erklärte, dass er FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht a priori als Bundeskanzler angeloben würde, sollte die FPÖ stimmstärkste Partei werden - zwei Themen, die die Debatte bis zum Schluss dominieren sollten.

Van der Bellen galt laut Umfragen als klarer Favorit, Hofer mauserte sich vom Underdog zur Nummer zwei - daneben wurde lediglich Griss Chancen auf den Stichwahl-Einzug prognostiziert. Khol und Hundstorfer waren quasi schon im Vorfeld abgeschrieben - was seitens SPÖ und ÖVP auch zu Kritik an der Meinungsforschung führte.

Erdrutschsieg für Hofer

Das Ergebnis zeigte dann ein völlig anderes Bild: Hofer fuhr mit 35,05 Prozent einen Erdrutschsieg ein, Van der Bellen lag mit 21,34 Prozent deutlich abgeschlagen auf Platz zwei und Griss verpasste die Stichwahl mit 18,94 Prozent doch recht klar. Ein Novum war das Scheitern der Kandidaten der beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP.

Damit war das Match zwischen den beiden Gegenpolen Hofer und Van der Bellen eröffnet, der weitere Wahlkampf drohte zu einem Lagerwahlkampf zu werden - und wurde es auch.

Die beiden Kandidaten gingen mit ihren bekannten Positionen in das Zweier-Match. Für Aufsehen sorgte ein unmoderiertes TV-Duell des Senders ATV, bei welchem sich Hofer und Van der Bellen solo gegenüber saßen und teils recht untergriffig wurden. Van der Bellen bemühte sich dabei, vor Hofers autoritären Zügen zu warnen, dieser wiederum versuchte schon damals, seinen Kontrahenten ins "Establishment-Eck" zu rücken: "Sie sind ein Kandidat der Schickeria, ich bin ein Kandidat der Menschen", so Hofer. Berühmt wurde auch Van der Bellens "Scheibenwischer", den er seinem Gegenüber zeigte.

"Arschknappe" Mehrheit für Van der Bellen

Der Ausgang der Wahl vom 22. Mai fiel dann denkbar knapp aus: Van der Bellen setzte sich - allerdings erst nach Auszählung der Wahlkarten - mit 50,35 Prozent durch. Der Vorsprung betrug nur knapp 31.000 Stimmen - Van der Bellen durfte sich dennoch einige Wochen als neuer Präsident wähnen. 

Schon am Abend des Urnenganges vom 22. Mai - noch vor Vorliegen der Briefwahlstimmen - deutete Hofer auf der Wahlparty vor seinen Fans an, dass bei den Wahlkarten "immer ein bisschen eigenartig ausgezählt" werde. Auch wenn die FPÖ-Spitze Van der Bellen vorerst zur gewonnen Wahl gratulierte, behielt man sich den Schritt zur Wahlanfechtung offen.

Zurück zum Punkt Null

Am 8. Juni schließlich langte die Anfechtung der FPÖ beim Verfassungsgerichtshof ein. Begründet wurde dies mit einer "Unzahl von Unregelmäßigkeiten und Pannen". Am 1. Juli hob der VfGH den Stichwahlgang auf. Entscheidend waren Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen in 14 Bezirken sowie die vorzeitige Ergebnisweitergabe etwa an die Medien. Der Termin für die Stichwahl-Wiederholung wurde nur wenige Tage später festgelegt - erneut gewählt werden sollte laut Regierungsbeschluss am 2. Oktober. 

Anfang September dräute dann neues organisatorisches Unheil herauf: Das Innenministerium gab bekannt, dass fehlerhafte Wahlkarten aufgetaucht waren. Aufgrund sich auflösender Klebestellen wäre bei diesen das Wahlgeheimnis nicht mehr garantiert gewesen.

Notbremse und Verschiebung

Nachdem klar wurde, dass es sich nicht um Einzelfälle handelte, zog man die Notbremse: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verkündete am 12. September, dass die Wahl verschoben wird. Als neuer Termin wurde der 4. Dezember fixiert; auch einigten sich die Parlamentsmehrheit auf eine Aktualisierung der Wählerverzeichnisse - um etlichen Jungwählern die Teilnahme am Urnengang zu ermöglichen, die beim ursprünglichen Termin mit noch sechs Kandidaten nicht stimmberechtigt waren.

Ende September kam es dann zu einer Quasi-Wahlkampf-Pause. Beide Kandidaten gaben bekannt, ihre Aktivitäten reduzieren zu wollen - u.a. bis fünf Wochen vor dem Wahltermin keine neuen Plakate aufzuhängen. 

"So wahr mir Gott helfe"

Erneut für Aufregung sorgte die FPÖ mit der jüngsten Plakatwelle Ende Oktober. Die Slogans "Für Österreich mit Herz und Seele" oder "In eurem Sinne entscheiden" zierte der Zusatz "So wahr mir Gott helfe". Kritik daran kam von den Kirchen ebenso wie von Van der Bellen, der den Spruch für "geradezu geschmacklos" hielt.

Die Warnung Van der Bellens vor Hofers möglicherweise autoritären Zugängen zog sich durch den gesamten Wahlkampf. Den Grund dafür hatte Hofer selbst geliefert - und zwar schon im April bei der "Elefantenrunde" des ORF: In der Debatte um die Kompetenzen des Bundespräsidenten sagte Hofer: "Sie werden sich wundern, was alles gehen wird."

Hofer war daraufhin immer wieder bemüht, zu erklären, dass er das keineswegs negativ gemeint habe und wehrte sich gegen die Zuschreibung des "Wolfs im Schafspelz". Die Konkurrenz schenkte diesen Beteuerungen keinen Glauben - und in der Schlussphase der Stichwahl nutzte Van der Bellens Team den Spruch sogar für einen Wahlslogan: "Wählen! Nicht Wundern."