Die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sind nach Angaben aus Kiew unterbrochen worden und sollen am Dienstag fortgesetzt werden. Es handle sich um eine technische Pause für zusätzliche Gespräche in Arbeitsgruppen und eine "Klärung individueller Definitionen", twitterte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Montag. "Die Verhandlungen dauern an." Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte indes ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin.

Beide Seiten hatten sich am Montag erstmals in größerer Runde per Videokonferenz getroffen. Zuvor hatten sich die Delegationen dreimal persönlich in Weißrussland getroffen. Einen Durchbruch gab es bisher nicht, allerdings hatten sich beide Seiten am Wochenende zurückhaltend optimistisch geäußert. Vor Beginn der Gespräche hatte Podoljak erklärt, die Ukraine bestehe auf einem Waffenstillstand, bevor es Gespräche über die künftigen Beziehungen geben könne. Er äußerte die Befürchtung, dass Russland die "Wahnvorstellung" habe, dass 19 Tage der Gewalt gegen friedliche ukrainische Städte die richtige Strategie sei.

Selenskyj will Treffen, "auf das die Menschen warten"

Der russische Unterhändler Leonid Slutski erklärte vor der vierten Verhandlungsrunde, die Gespräche kämen voran. "Meine persönliche Erwartung ist, dass die Fortschritte sehr bald zu einer gemeinsamen Position zwischen den beiden Delegationen und zu Dokumenten zum Unterzeichnen führen", fügte er laut russischen Nachrichtenagenturen hinzu. Putin hatte bereits am Freitag von "positiven Fortschritten" bei den laufenden Verhandlungen gesprochen.

Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte ein Treffen mit Wladimir Putin gefordert. Das Ziel sei es, "alles zu tun, um ein Treffen der Präsidenten zu ermöglichen. Ein Treffen, auf das die Menschen sicher warten", sagte Selenskyj am Montagmorgen in einer Videobotschaft. "Unser Ziel ist es, dass die Ukraine in diesem Kampf, in dieser schwierigen Verhandlungsarbeit, das notwendige Ergebnis erhält ... für den Frieden und für die Sicherheit", sagte Selenskyj.

Angriff an polnischer Grenze, um Panik zu verbreiten?

Angesichts der jüngsten russischen Luftangriffe im Westen der Ukraine bekräftigte Selenskyj einmal mehr seine Forderung nach der Einrichtung einer Flugverbotszone durch die Nato. "Wenn Sie unseren Himmel nicht abriegeln, ist es nur eine Frage der Zeit, bis russische Raketen auf Ihr Territorium, auf das Territorium der Nato und auf die Häuser von Nato-Bürgern fallen werden", sagte Selenskyj.

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid hält es für unwahrscheinlich, dass im Zuge des Krieges Raketen auf dem Gebiet der Nato einschlagen. "Es ist nicht unmöglich. (...) Aber ich denke immer noch, dass es zu diesem Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich ist", sagte Javid dem BBC-Hörfunk. Sollte dies dennoch geschehen, werde die Nato darauf antworten. "Wir haben den Russen schon vor Beginn dieses Konfliktes sehr deutlich gemacht, dass selbst wenn eine einzige russische Schuhspitze Nato-Territorium betritt, dies als kriegerischer Akt gewertet wird." Die Ukraine grenzt an die Nato-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien.

Einen Tag zuvor hatte Russland einen ukrainischen Militärstützpunkt im Grenzgebiet zu Polen angegriffen. Bei dem Angriff auf den Militärstützpunkt nahe Lemberg (Lwiw) wurden nach ukrainischen Behördenangaben mindestens 35 Menschen getötet und mehr als 130 weitere verletzt. "Dreißig Raketen allein auf die Region Lwiw", sagte Selenskyj dazu. "Es passierte nichts, was das Territorium der Russischen Föderation bedrohen könnte. Und das nur 20 Kilometer von den Grenzen der Nato entfernt."

Der russische Angriff auf den ukrainischen Militärstützpunkt nahe der Grenze zu Polen sollte nach den Worten des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki Panik unter der Zivilbevölkerung verbreiten. "Ein Raketenangriff nur zwanzig Kilometer von unserer Grenze entfernt zeigt, wie Russland vorgeht", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen Amtskollegen aus der Ukraine und Litauen. Russland wolle Panik unter der Zivilbevölkerung stiften.

Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Resnikow arbeiteten auf dem Stützpunkt in Jaworiw bei Lemberg auch "ausländische Ausbilder". Der nur rund 20 Kilometer von der polnischen Grenze entfernte Stützpunkt wurde demnach als Ausbildungszentrum für ukrainische Soldaten genutzt, die Ausbilder kamen in der Vergangenheit aus Ländern wie den USA und Kanada. Er diente auch als Basis für gemeinsame Übungen ukrainischer Soldaten mit Nato-Soldaten. Die USA hatten am 12. Februar erklärt, 150 ihrer Ausbilder aus der Ukraine abgezogen zu haben. Der polnische General Waldemar Skrzypczak erklärte, auf dem Stützpunkt würden ausländische Freiwillige für den Kampf gegen die russischen Truppen ausgebildet.

In Bezug auf den US-Journalisten, der am Sonntag in der Nähe von Kiew getötet wurde, sprach Selenskyj von einem "vorsätzlichen Angriff der russischen Armee". Der 50-Jährige war am Sonntag im Vorort Irpin nordwestlich von Kiew durch Beschuss auf sein Auto getötet worden. Ein US-Kollege sowie der ukrainische Fahrer wurden bei dem Angriff verletzt.