Das lautstarke Trommeln auf Pfannen und Töpfen begann erstmals Mitte April, als Macron die umstrittene Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre in Kraft setzte.

Inzwischen können sich weder der Präsident noch Regierungsmitglieder irgendwo blicken lassen, ohne dass ihnen ein Trommelprotest entgegenhallt. Auch bei den Kundgebungen am 1. Mai gab es in etlichen Städten wieder Topfschlagproteste gegen die Pensionsreform.

Protestsymbol wie Gelbwesten

Auch wenn das Trommeln skurril wirkt, sehen Kommentatoren darin einen Angriff auf die Legitimität staatlicher Institutionen. Die Töpfe könnten zu einem Protestsymbol wie die Gelbwesten während der Sozialproteste 2018/2019 werden, fürchten sie. "Es sind nicht die Töpfe, die Frankreich voranbringen werden", scherzte Macron, als er sich im Elsass erstmals einem Protest mit Töpfen gegenübersah. "Eier und Töpfe, das ist bei mir zum Kochen da", legte er tags drauf nach. Seitdem aber steckt Frankreich in der Zwickmühle mit Demonstranten, die zwar nicht mehr mit Gegenständen auf Polizisten werfen, aber jeden Auftritt eines Regierungspolitikers tüchtig lärmend sabotieren.

Angesichts der Kochtopf-Proteste wies die Regierung die Ministerinnen und Minister an, zu prüfen, welche ihrer Auftritte im Land wirklich nötig sind
Angesichts der Kochtopf-Proteste wies die Regierung die Ministerinnen und Minister an, zu prüfen, welche ihrer Auftritte im Land wirklich nötig sind © AP

"Casserolades" heißen die Topfkonzerte auf Französisch, nach "Casserole", dem Wort für Topf. Nach dem Aufkommen der Proteste gab es prompt lustige Reaktionen, augenzwinkernd meldete sich der traditionsreiche Topfhersteller Cristel zu Wort. "Herr Präsident, bei @cristelfrance stellen wir Kochtöpfe her, die Frankreich voranbringen!!!" Und Ikea schaltete gleich in Frankreich eine Topfwerbung mit dem Spruch: "Bei diesem Preis kann es krachen". Eher Stirnrunzeln als Lachen löste bei der Bevölkerung dann aber die Reaktion der Behörden auf drohende Topfschlagproteste aus.

Kochtöpfe und Terrorismus?

Vor einem Besuch Macrons in Südfrankreich wurde Demonstranten das Mitführen "tragbarer Tongeräte" kurzerhand verboten. Polizisten wiesen Menschen mit Töpfen ab, auch von beschlagnahmten Töpfen war die Rede. Eine entsprechende Anordnung des Departements sprach von drohender Terrorgefahr. Kochtöpfe und Terrorismus? Da zweifelten nicht nur viele Franzosen am Verstand ihrer Verwaltung. Auch Innenminister Gérald Darmanin stellte klar, Töpfe bei Demonstrationen seien erlaubt, Anweisungen seien wohl vor Ort missverstanden worden. In einer anderen Region erklärte ein Gericht ein Demonstrationsverbot während eines Macron-Besuchs für ungültig.

Angesichts der Kochtopf-Proteste wies die Regierung die Ministerinnen und Minister an, zu prüfen, welche ihrer Auftritte im Land wirklich nötig sind. Macron schwenkte teils auf Überraschungsbesuche um, damit Demonstranten ihn schwerer mit Küchengeräten abpassen können. Die Fraktionschefin der Linkspartei, Mathilde Panot, drohte Macron aber schon: "Ja, Sie werden unsere Pfannen bis zum Rückzug (der Reform) am Hintern haben!" Denn darum geht es beim Kräftemessen zwischen Macron und seinen Gegnern: Während der Präsident von einer Phase der Beruhigung nach dem Rentenstreit redet, will die Gegenseite lärmen, bis die Reform, die ab September greifen soll, zurückgezogen wird.

Kochtopfpolitik als Tradition

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass mit Kochtöpfen Politik gemacht wird. Das Topfschlagen habe eine lange Tradition der entschlossenen, aber friedlichen Opposition, schrieb die Zeitung "Les Échos". Der aus dem Mittelalter stammende Brauch sei vor zwei Jahrhunderten etwa während der Julimonarchie hundertfach von den Anhängern der Republik in Frankreich eingesetzt worden. Das Topfkonzert habe danach auch Kanada erobert und im 20. Jahrhundert dann Chile, Argentinien, Venezuela und andere Länder.

Proteste am 1. Mai

In Frankreich hatten die Gewerkschaften für den 1. Mai zu den nächsten großen Protesten gegen die Pensionsreform aufgerufen, die die Mitte-Regierung von Macron am liebsten schon als abgehakt betrachten würde. Zehntausende Teilnehmer kamen zu den landesweit rund 300 Kundgebungen in Großstädten, aber auch kleineren Orten in der Provinz. Einige davon waren gleich als "Casserolades" angekündigt, es gab wieder tüchtig Lärm. "Der Topf ist zu einem Symbol geworden", meinte die Organisation Attac, die in sozialen Medien schon zu einer #CasserolesChallenge aufgerufen hat. So schnell wird Macron die Topfschlagproteste also wohl nicht loswerden.