Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Dienstag bekräftigt, dass Österreich die Visa-Kriterien nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien nicht ändern wird. Das sei keine "Härte", sondern "die konsequente Fortsetzung der Politik 'Hilfe vor Ort'", meinte er vor Journalisten. Das Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien will Nehammer nicht so bald zurücknehmen - es bleibe so lange aufrecht, solange das System "dysfunktional" sei.

Deutschland will nach dem Erdbeben Menschen in der Türkei  unbürokratisch Visa erteilen, damit sie bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. Am Sonntag sprach sich der Erste Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, (ÖVP) für eine zeitlich begrenzte Aufnahme Betroffener in Österreich aus. Ziel sei es, die Menschen so gut wie möglich vor Ort zu unterstützen, sagte dagegen Nehammer. Es werde ein Aufbauprogramm für die Türkei notwendig sein. Nicht jede "Ankündigung" sei auch "automatisch effizient", meinte er zu den deutschen Plänen. Man werde erst sehen, wie das funktioniert. In Österreich habe man sich entschieden, vor Ort zu helfen. So werde auch die Bundesheer-Mission noch eine Zeit lang fortgesetzt.

EU-Gipfel "großer Erfolg"

Einmal mehr ließ Nehammer bei einem Hintergrundgespräch auch den EU-Gipfel zu Migration Revue passieren, der aus seiner Sicht "ein großer Erfolg" gewesen war. In den Schlussfolgerungen seien "klare Worte" zu finden, nämlich substanzielle Hilfe in Grenzschutzeinrichtungen und -infrastruktur. Er sei "nicht so kurzsichtig" zu glauben, "dass der Zaun die Lösung des Problems ist" - wichtig sei, Fluchtbewegungen zu verzögern oder zu verhindern, und das gehe nur über Kooperationen mit den Herkunftsländern. Es gehe darum, in der Rückführungspolitik koordiniert und einheitlich vorzugehen.

Festhalten an Schengen-Veto

Am viel kritisierten Schengen-Veto gegen Rumänien und Bulgarien hält der Kanzler vorerst fest. Das Veto bleibe so lange aufrecht, solange das System "dysfunktional" sei, verwies Nehammer abermals auf Asylanträge von rund 75.000 Personen, die vor ihrer Ankunft in Österreich nicht registriert worden seien, obwohl sie die EU-Außengrenze längst überschritten hatten. Nehammer erinnerte auch an die nach wie vor bestehenden Grenzkontrollen seitens Deutschland gegenüber Österreich. Man sei auch nicht unsolidarisch, diesen Vorwurf finde er nicht gerecht, betonte Nehammer. Deutschland habe Österreichs Schengen-Beitritt damals auch blockiert, weil man der Meinung gewesen sei, dass man nicht in der Lage sei, die Außengrenze zu schützen, und "da ist Österreich nicht ausgeflippt", sondern man habe eben daran gearbeitet, dass das Vertrauen wachse, damit Deutschland zustimmen könne.

Neutralität "nicht angreifen"

Die österreichische Neutralität will der Kanzler auch nach einem Jahr Krieg in der Ukraine nicht angreifen. Österreich habe ob der Neutralität besonders bei Staaten außerhalb der EU ein "besonderes Standing" in Gesprächen, weil man eben nicht Teil eines Militärbündnisses sei. Dies zu verlieren, wäre ein "zu hoher Preis", neben allen sicherheitspolitischen Aspekten, meinte Nehammer. "Unsere Geschichte der Neutralität ist für die Menschen in Österreich ein Stück Geschichte der Freiheit."

"Gelassen" sieht der Kanzler die Ermittlungen gegen sich in der Cobra-Affäre rund um betrunkene Personenschützer. Grundlage dafür sei ein "Pamphlet", das "falsch" sei, und er vertraue auf die Behörden in Österreich. Der Vorwurf, er habe an höchster Cobra-Stelle interveniert, sei "schon fast eine Beleidigung meiner Intelligenz", denn als ehemaliger Innenminister wisse er schließlich, dass alle Formen der Intervention "veraktet" werden. "Ja, ich kann es ausschließen, das ist eine Lüge", wies er die Vorwürfe einmal mehr zurück.