2003 kamen bei einem Attentat auf das UNO-Hauptquartier in Bagdad 22 Personen ums Leben. Bei dem Bombenanschlag starb auch der damalige UNO-Sonderbeauftragte für den Irak, Sergio Vieira de Mello. In Gedenken an jene Personen wurde der Welttag der humanitären Hilfe ausgerufen, am 19. August soll jährlich der Einsatz der Nothelfer weltweit gewürdigt werden

Anlässlich des "World Humanitarian Day" haben wir mit Nothelfern in Myanmar, Südsudan und Syrien gesprochen, die direkt aus den Krisengebieten berichten.

Jochen Meissner - Myanmar

Seit nun neun Jahren lebt Jochen Meissner in Myanmar. Die Zelte in Österreich habe er abgebaut, seine neue Heimat ist "das traumhaft schöne Land, mit seinen Seen, Dschungel und wahnsinnig freundlichen Leuten" südlich des Himalaya-Gebirges. Die Leidenschaft für Myanmar entwickelte er 2006 auf einer Südostasien-Rucksackreise, 2012 ergab sich beruflich die Möglichkeit, dauerhaft in das Land zu ziehen.

Hilfe, die bitter nötig ist: "Nur im letzten Monat gab es zehntausende Covid-Tote. Es gibt keine richtigen Zahlen, aber es gibt Bilder wo sich die Leichen vor den Krematorien stapeln", berichtet Meissner von der Situation in der Pandemie. Für Einheimische sei es fast unmöglich, eine Impfung zu ergattern. Nach außen wolle die Militärregierung aber ein intaktes Bild in die Welt senden, daher sei die Arbeit der humanitären Hilfe auch nicht ungefährlich: "Das sehen sie nicht gerne, wenn sich Ausländer engagieren."

Der Alltag habe sich im letzten Jahr extrem geändert. "Seit dem Militärputsch ist das Leben in Yangon geprägt von täglichen Bomben- und Brandanschlägen, Attentaten und Aktivitäten von Untergrundkämpfern." Das omnipräsente Militär zielt mit scharfen Waffen auf Zivilisten, auch er selbst habe schon in einen Gewehrlauf geblickt. Richtig gefährlich sei es für öffentliche Stimmen, ausländische Journalisten würden im "berüchtigten Gefängnis Myanmars" sitzen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass "sie irgendwann vor meiner Tür stehen".

Wie es in Myanmar weitergeht, sei sehr schwer einzuschätzen. "Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, es funktioniert gar nichts mehr. Die Militärregierung fängt nun an zu bröckeln: Mit dem unglaublichen Widerstand aus der Bevölkerung haben sie nicht gerechnet", beschreibt Meissner die aktuelle Lage. "Sie führen das Land direkt in den Untergang." Angesichts der nebeneinander stattfindenden Krisen, die politische Katastrophe und die Corona-Pandemie, gibt es einen aktuellen Spendenaufruf der Sonne International. Projektkoordinator Meissner hofft, "dass die Militärregierung - besser früher als später - zusammenbricht", und er wieder zusammen mit seinen Landsleuten in dem Myanmar leben kann, in das er sich vor 15 Jahren verliebt hat.

Bernard Wiseman - Südsudan

Der US-Amerikaner Bernard Wiseman ist Einsatzleiter eines Projektes für Ärzte ohne Grenzen in Old Fangak im Südsudan. Die Region liegt inmitten eines der größten Süßwassersumpfgebiete der Welt. "Wir haben  ein 30-Betten-Krankenhaus quasi in der Mitte dieser Sumpflandschaft. Hier bieten wir stationäre Behandlungen für die lokale Bevölkerung an." Diese umfasse rund 100.000 Personen.

Das "Old Fangak Hospital" inmitten eines der größten Sumpfgebiete der Welt.
Das "Old Fangak Hospital" inmitten eines der größten Sumpfgebiete der Welt. © (c) Tetiana Gaviuk/MSF (Tetiana Gaviuk)

Der Südsudan zählt weltweit zu den gefährlichsten Ländern für Nothelfer: "Seit der Unabhängigkeit Südsudans gab es über die letzten 10 Jahre viele gemeldete Gewalttaten gegen humanitäre Helfer. Im Zuge des anhaltenden Bürgerkrieges und der Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen im Land werden immer wieder Helfer in diese Gewalt hineingezogen. Im Einsatz für Ärzte ohne Grenzen verloren 24 Helfer ihr Leben, in ganz Südsudan waren es 200." In der sehr abgelegenen Region, wo Wiseman sich befindet, sei die Situation aber halbwegs stabil. Mit der Gesellschaft habe man ein sehr gutes Verhältnis, immerhin stelle man lebensrettende medizinische Dienstleistungen einer Bevölkerung zur Verfügung, die ansonsten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung hätte.

Anhaltende Konflikte haben zu rund 1,5 Millionen Vertriebenen und fast 300.000 Flüchtlingen aus dem Sudan geführt. Obwohl man im Krankenhaus oft Patienten mit Schussverletzungen behandle, würde die Gewalt aber nicht weiter sein tägliches Leben oder die Arbeit behindern. "Manchmal müssen wir diese Patienten mit dem Boot zum nächsten Chirurgen bringen. Das dauert bis zu fünf Stunden. Entlang dieser Route beobachten wir Auseinandersetzungen zwischen bewaffneter Gruppen", sagt der Mediziner.

Seit 2014 läuft das Projekt in Old Fangak, als Antwort auf Flüchtlingsströme, die sich in diesem entlegenen Gebiet ansiedelten. "Viele Menschen flüchteten hierher, weil das Sumpfgebiet Schutz vor Gewalt bietet. Die sumpfige Landschaft birgt aber auch Gefahren: Unsere größte Sorge ist Malaria", weiß der Einsatzleiter. Das Coronavirus sei nur ein Nebendarsteller in seinem Einsatzgebiet: "Stechmücken, Käfer, Schlangen, gefährliche Echsen und Krokodile - es ist definitiv ein Sumpf."

Angesprochen auf die Zukunft hofft Wiseman auf Besserung: "Es gab hier zusätzlich zur allgemein schon schwierigen Situation Überschwemmungen in noch nie da gewesenem Ausmaß." Solidarität und Unterstützung sei weiterhin dringend erforderlich, weswegen er seine Arbeit fortsetzt: "Es kann manchmal ziemlich schwierig sein, ein humanitärer Helfer zu sein. Es ist keine einfache Aufgabe, aber es freut mich, dass die Arbeit der Hilfsorganisationen weltweit auch gewürdigt wird."

Azad - Syrien

Azad ist studierter Agraringenieur. Seinen Abschluss konnte der Syrer gerade noch vor der Krise im Jahr 2011 machen. Seit dem gebe es für Junge aus dem Bürgerkriegsland kaum mehr Chancen auf Bildung: "Das Bildungssystem in Syrien ist zerstört. Waren es vor der Krise noch 90 Prozent, die eine Ausbildung erhielten, sind es heute nur mehr 10 Prozent." Aus diesem Grund gebe es auch einen großen humanitären Bedarf, sowohl heute als auch in Zukunft.

Seine an der Universität erworbenen Fähigkeiten nutzt Azad deswegen, um der syrischen Gesellschaft zu helfen, denn in seinem Einsatzgebiet - neun Autostunden von Damaskus entfernt - ist die Landwirtschaft das Um und Auf der Bewohner. Wiederkehrende Dürreperioden machen ganz Syrien, speziell aber diese Gegend, zu schaffen. Für Azad ein eindeutiges Zeichen globaler Erwärmung: "Meiner Erfahrung nach gibt es alle zehn Jahre eine größere Dürreperiode, aber die letzte Trockenheit war äußerst gravierend."

Teil des Programmes der Hilfsorganisation Care, in dem Azad als Koordinator für Sicherheit und Subsistenz mitwirkt, ist daher auch die Aufklärung der Bevölkerung über den Klimawandel. "Sie müssen wissen, welche Risiken und Gefahren auf sie zukommen und wie sie am besten damit umgehen", sagt Azad. "Aber ihnen ist auch klar, dass der Klimawandel menschengemacht ist."

In einigen Regionen Syriens gehören Kampfhandlungen immer noch zum Alltag.
In einigen Regionen Syriens gehören Kampfhandlungen immer noch zum Alltag. © (c) AFP (JALAA MAREY)

Ein weiteres Problem seiner Arbeit ist, dass die Helfer nicht alle Gebiete dieser Gegend erschließen können. "Die Situation in Bezug auf die Sicherheit ist sehr gefährlich. Es gibt Kampfgebiete in die man nicht einmal als NGO hineinkann." Prinzipiell fühle er sich als humanitärer Helfer aber sicherer als normaler Bürger. "Ich würde sagen, dass beim Aufenthalt in manchen Gegenden sonst das Leben auf dem Spiel steht."

Seit sechs Jahren ist Azad im Einsatz für CARE: "Ich liebe meinen Job! Meine Spezialisierung ist die Landdwirtschaft - genau das ist hier die Lebensgrundlage." Ohne Hilfsorganisationen könne man in seinem Einsatzgebiet nur sehr schwer überleben. Für die Zukunft würde er sich dennoch wünschen, dass der syrischen Bevölkerung noch nachhaltiger geholfen wird: "Viele Menschen leiden sehr. Egal wen man hier fragt, jeder wird dir sagen, dass sie das Land irgendwann verlassen möchten." Azad hat es sich zur Aufgabe gemacht, genau das zu verhindern: Er glaubt an eine Zukunft seines Landes, weswegen er sich auch tagtäglich für sie einsetzt.