Nicht das Virus ist der Täter. Man wird auch nicht im landläufigen Sinn von Täterschaft sprechen. Vielmehr sind die Regierenden nahezu weltweit – einmal früher, einmal später – zum Entschluss gelangt, dass sie dem Schrecken einer Pandemie nur so entgegenwirken und die totale Eskalation bremsen können, indem sie Ausgangssperren verhängen. In Aktion treten die staatlichen Verantwortungsträger, indem sie gewaltsam in die Selbstbestimmung der Menschen eingreifen.

In der Wissenschaft ist das eine ethisch gerechtfertigte paternalistische Grenzüberschreitung (lateinisch „pater“ = Vater): ein gewaltsamer Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, was das Wichtigste ist: zu dessen Vorteil. Das Virus hatte die Politik zu juristisch und moralisch abgesegneter Gewaltausübung motiviert. Auf der einen Seite Sanktionen der Regierung, die soziale Isolation in ein strahlendes Licht rückte. Auf der anderen Seite der Tsunami immer morbiderer Updates der sozialen Medien in rasanter Grausamkeit.

Und die Psyche des Volkes? Schrumpft wie ein bei zu viel Grad gewaschener Wollpulli und beginnt im Katastrophenmodus zu funktionieren. Viele ironisieren, polemisieren und terrorisieren mit Shitstorms jene, die immer ein Haar in der Suppe finden.

Am meisten gemobbt werden Verschwörungstheoretiker und Vertreter der Meinung, dass Corona beziehungsweise Covid-19 nicht mehr als eine Grippe sei. Gerade dass nicht Scheiterhaufen errichtet werden für jene, die zweifeln oder kritisch bleiben. Immer neue Bilder von Toten hämmern den Menschen die Angst vor der eigenen Verletzlichkeit ein. Schuldgefühle entstehen, die kollektiv verteilt sind. Niemand kann sagen, was es war: Aber es war einfach so. Dass über Nacht alles anders geworden war. Die Mächtigen uns vorschreiben, was zu tun und zu lassen ist. Was gut und was schlecht ist. Und dass wir zu gehorchen haben. Und zu vertrauen. Auf das, was gesagt und geschrieben wird. Bedingungslos. Unkritisch. Zu unserem eigenen Besten.

Monika Wogrolly lebt als Autorin und Therapeutin in Wien und in Graz