Früher einmal pilgerten die deutschen Grünen nach Österreich, um sich abzuschauen, wie man bei Wahlen zweistellig wird. Nun ist es umgekehrt. Bei der Nationalratswahlen sind die Grünen aus dem Nationalrat geflogen. Die Abspaltung der Liste Pilz und schwere wahlstrategische Fehler haben die Bewegung ins parlamentarische Out katapultiert.

Morgen wollen die Grünen auf ihrem Parteitag einen Neustart versuchen - mit Werner Kogler als neuen Parteichef (war es bisher nur interimistisch). Ob Kogler, der 18 Jahre im Nationalrat saß, nicht das Gegenteil signalisiere? „Überhaupt nicht“, erklärt der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Das ist keine Frage des Alters“, so der Tiroler und verweist auf sich (59 Jahre alt), Alexander Van der Bellen (72 Jahre), Winfried Kretschmann (70 Jahre). „Jeder von uns drei war ewig in der Politik und galt im Wahlkampf plötzlich als Hoffnungsträger.“ Der 56-jährige Kogler bringe mit seiner Eloquenz, dem Schmäh, der Erfahrung und dem positiven Zugang zur Politik das Rüstzeug mit.

Werner Kogler findet die Frage, ob er wirklich der Inbegriff der Aufbruchs sei, durchaus legitim. „Ich verstehe mich als Ermöglicher, als Vorbereiter.“ Er wolle zwei Jahren die Partei führen und rechtzeitig das Amt an Jüngere abgeben. Der Vorstand soll morgen radikal verjüngt werden – mit der Bundesrätin Ewa Dziedzic, der Steirerin Lara Köck, der Vorarlberger Nina Tomaselli. Für die zwei Männer-Plätze treten der Innsbrucker Gemeinderat Dejan Lukovic, der Salzburger Landesgeschäftsführer Rudi Hemetsberger (mit Geburtsjahr 1977 der Älteste in der Runde) und der oberösterreichische Landtagsmandatar Stefan Kaineder an. Kogler kandidiert bei den EU-Wahlen.

„Wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen und müssen uns auf unsere Stärken besinnen“, unterstreicht Willi, der morgen als Begrüßungsredner der Bewegung wieder Selbstvertrauen einimpfen will. Thematisch sollte man sich auf den Klimaschutz, die Verteilungsfrage, Wohnen konzentrieren. „Wir dürfen uns thematisch nicht verzetteln“ - etwa in Form einer Debatte über das Binnen-I.

Kogler erweitert das Spektrum um die Europafrage. „Das sind keine Randthemen, sondern essenzielle Fragen, die viele Menschen bewegen.“ Die Grünen würden in diesen Bereich Glaubwürdigkeit besitzen. „Türkis-Blau ist ein schöner Gegner, denn in der Zwischenzeit koaliert man ungeniert mit dem Faschisten Salvini.“ Die SPÖ sei bei der Ökologie „nicht gefestigt.“ Kogler, Willi oder auch der grüne oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober verstehen sich als Vertreter des pragmatischen Flügels, der in der Deutschland in aller Mund ist und bei der Umsetzung grüner Ideen die Wirtschaft ins Boot zu holen versucht.

Umfragen sehen die Grünen aktuell bei sechs Prozent. „Sie haben alle Chancen, wieder reinzukommen, weil auch die Liste Pilz in der Versenkung verschwunden ist“, so David Pfarrhofer, Chef des Market-Instituts.