Die Welt schaut nach Teheran, wo sich heute die Präsidenten aus dem Iran, aus Russland und aus der Türkei zum Thema Idlib treffen. Augenfälliger lässt sich kaum demonstrieren, wie sehr sich die politischen und strategischen Gewichte im Nahen Osten mittlerweile verschoben haben. Die USA und Europa bleiben draußen. Der Westen spielt kaum noch eine Rolle. Auch der am gleichen Freitag zu Syrien zusammengetrommelte UN-Weltsicherheitsrat wird wieder nur Makulatur produzieren. US-Präsident Donald Trump twitterte fast flehentlich aus der Ferne, die Schlacht um Idlib doch bitte abzublasen.

Ultimatum endet

Kommenden Montag endet das Idlib-Ultimatum des syrischen Regimes, dann will Bashar al-Assad auch die letzte noch verbliebene Rebellenprovinz ausradieren, die auch eine nie dagewesene Konzentration von Al-Kaida-Jihadisten beherbergt. Genauso wie der syrische Diktator haben auch die Gotteskrieger keinerlei Skrupel, Frauen, Männer und Kinder aus der Zivilbevölkerung zu missbrauchen. Was das für die fast drei Millionen Bewohner von Idlib bedeutet, kann jeder ermessen, der das Inferno von Ost-Aleppo und Ost-Ghouta noch in Erinnerung hat.

Wochenlange Todesangst

Raketen Tag und Nacht, wochenlange Todesangst in dunklen, stickigen Kellern, zerstörte Krankenhäuser, Tag für Tag neue Verschüttete in kollabierten Wohnblocks - und am Ende eine elende Massenflucht Verzweifelter. Hunderttausende könnten versuchen, die Grenzzäune zu stürmen, um sich auf der türkischen Seite in Sicherheit zu bringen. Und vielleicht winkt Ankara dann, überwältigt von der schieren Zahl der Neuankömmlinge und selbst in großen wirtschaftlichen Nöten, erneut die Flüchtlinge in Richtung Europa weiter.

Apokalypse droht

Das Dreiertreffen von Teheran wird diese heraufziehende Apokalypse wohl nicht mehr stoppen. Denn Assad und seine beiden Verbündeten Iran und Russland sind zu allem entschlossen. Sie sehen sich kurz vor dem großen Ziel, den mehr als siebenjährigen Bürgerkrieg militärisch zu ihren Gunsten zu entscheiden. Die Türkei dagegen hat kaum noch etwas in der Hand, es sei denn, sie rüstet erneut die Jihadisten auf und macht damit alles nur noch schlimmer.

Mörderischer Feldzug

Trotzdem könnte den Siegern ein mörderischer Feldzug gegen Idlib, der die Welt wochenlang in Entsetzen und Empörung halten wird, noch teuer zu stehen kommen. An Milliardenhilfen aus Europa für Wiederaufbau und Rückkehr der Flüchtlinge wäre auf absehbare Zeit nicht mehr zu denken.
Teheran und Moskau stünden allein vor dem syrischen Trümmerfeld, was sie aus eigener Kraft nicht wieder aufbauen können. Auf dem Helsinki-Gipfel mit Donald Trump Mitte Juli zauberte Wladimir Putin bekanntlich einen Plan für 1,7 Millionen Rückkehrer aus dem Hut.

Kostenkalkulation

Bis ins Detail ließ der Kreml-Chef damals die Euro-Milliarden für eine Massenheimkehr kalkulieren – angefangen von den Reisekosten über den Zementbedarf bis zu der Zahl der Busse und Charterflüge. Denn Moskau kann die strategische Dividende für seinen dreijährigen Militäreinsatz nur einfahren, wenn Wiederaufbau und Wirtschaftsleben in Syrien möglichst rasch wieder in Gang kommen - und wenn Europa das finanziert. Der Iran braucht im Streit um Atomabkommen und US-Sanktionen ebenfalls Europas Wohlwollen, was sich unter dem Eindruck möglicher Kriegsgräuel in Idlib schnell verflüchtigen dürfte.

Teherans Raketenprogramm und regionales Machtgebaren nerven schließlich auch in Paris, London und Berlin, wie der französische Außenminister dieser Tage durchblicken ließ. Aber auch in der russischen und iranischen Bevölkerung regt sich Unmut, weil die Menschen mit der kostspieligen, imperialen Außenpolitik ihrer Führungen hadern. Putins Beliebtheitsgrad zu Hause fällt auch wegen der Kriegskasse für Damaskus.

Im Iran vermischen Demonstranten ihre Kritik an dem Syrien-Abenteuer immer öfter mit grundsätzlichem Aufbegehren gegen die Islamische Republik. Und so wird der Gipfel von Teheran am Ende wohl grünes Licht geben für den befürchteten Feldzug gegen Idlib. Militärisch könnte dies zum Schlusskapitel des Krieges werden.

Politisch jedoch fangen die Probleme für Baschar al-Assad und seine beiden Schutzmächte Iran und Russland dann erst richtig an.