In Deutschland wird über 63 Punkte des "Masterplanes" von Horst Seehofer diskutiert, von dem die Öffentlichkeit erst einen kennt, nämlich das Vorhaben, nach Deutschland einreisende  Asylwerber, die schon einmal in einem anderen Land registriert oder im deutschen Asylverfahren abgewiesen wurden, an der Grenze zurückzuweisen.

In Österreich - und auch Deutschland - diskutiert die Öffentlichkeit über die "Achse der Willigen", einen Plan von Kanzler Sebastian Kurz, ohne dass dieser schon im Detail kommuniziert hätte, was die Willigen eigentlich wollen.

Ziel ist, Menschen, die einen negativen Asylbescheid erhalten, die kriminell geworden sind oder solche, die über ein so genanntes "sicheres Drittland" eingereist sind, von Österreich und Deutschland fernzuhalten bzw. abzuschieben. Hintergrund ist, dass Abschiebungen oft nicht möglich sind, weil die Herkunftsländer die Aufnahme verweigern.

Kanzler Kurz meint eine Lösung gefunden zu haben, die offenbar die CSU besticht, ohne dass zum jetzigen Zeitpunkt noch offiziell darüber gesprochen würde.

Lager in Albanien, im Kosovo und Co.

In Gesprächen mit den Westbalkan-Staaten, die derzeit außerhalb der EU liegen, denen man gleichzeitig aber eine Perspektive für allfällige Beitrittsverhandlungen gibt, scheint man anstreben zu wollen, dass diese Lager für solche Abgewiesene errichten. "Auffanglager", in denen die Bedingungen nicht so angenehm sind wie in Österreich oder Deutschland, Lager, in denen der Wunsch, in Europa zu bleiben, rapide sinkt. Die Rede ist von Serbien, Albanien, Mazedonien und dem Kosovo.

Die "Presse" berichtet, die österreichische Bundesregierung habe bereits Gespräche mit den Behörden in diesen Ländern aufgenommen, um dort Auffanglager für illegale Migranten zu errichten.

Italien solle sich um Nordafrika kümmern. Seehofer bzw. die deutsche Bundesregierung sollten sich darum kümmern, dass die Außengrenze abgedichtet werde. Seehofer und Kurz stimmen darin überein, dass diese Aufgabe vermehrt der "Frontex" übertragen werden solle, die mit mehr Mitteln ausgestattet werden müsse. Für diesen Plan sind vermutlich auch die widerspenstigen Visegrad-Staaten Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen zu gewinnen.

Frontex-Mandat ausweiten

Dafür müsste allerdings deren Mandat geändert werden. Die EU-Grenzschutzbehörde soll demnach Menschen, die sie im Mittelmeer aufgreift, künftig postwendend nach Nordafrika zurückbringen. Anders als Italien will  Kurz jedoch nicht, dass in den Auffanglagern in Nordafrika Aslyanträge gestellt werden können. Er befürchtet laut "Presse" eine Sogwirkung.

Auch Frankreichs  Präsident Emmanuel Macron wollte schon einmal Auffanglager in Nordafrika einrichten, scheiterte aber  am Widerstand der Staaten an der Südküste des Mittelmeeres, da sie diese Art Magnetwirkung für Flüchtlinge vermeiden wollen.

Treibende Kraft in Italien ist der neue Innenminister, Matteo Salvini, schreibt die "Presse".  Am Mittwoch wird der Chef der rechtspopulistischen Lega in Rom FPÖ-Innenminister Herbert Kickl empfangen. Im Juli wird Salvini in Wien erwartet. Die Lega sitzt mit der FPÖ in einer EU-Parlamentsfraktion. Kurz wiederum nimmt am kommenden Donnerstag an einem Treffen der Visegrad-Staaten in Budapest teil.

Merkel will gesamteuropäische Lösung

Warum Angela Merkels CDU, die Sozialdemokraten und vor allem Asylrechtskundige sich dagegen stemmen: Kurz hat sich im Verein mit Seehofer ein Land herausgepickt, das Österreich besonders betrifft und in dem gerade ein rechtspopulistischer Innenminister (Lega Nord) das Sagen hat.

Als Ankunftsländer mit vielen Migranten seien besonders Italien, aber auch Griechenland und Spanien betroffen, sagt die Kanzlerin. Daher glaube sie, dass es  viele solche Kooperationsformen, mit vielen Ländern Europas geben müsse, "also nicht nur diese eine Richtung, sondern viele mehr".  Es gehe um eine gesamteuropäische Lösung.

Die französische Regierung hält wenig von den Plänen zur Schaffung von Lagern für Asylwerber außerhalb der EU, wie die "Presse" berichtet. "Das ist weder humanitär noch rechtlich akzeptabel. Man verwendet keine Drittstaaten am Balkan, um Flüchtlingslager für die EU zu schaffen", hieß es am Mittwoch aus der französischen Präsidentschaftskanzlei gegenüber der "Presse".

Bei einem Pressegespräch habe Europaministerin Nathalie Loiseau die Gründe für die Ablehnung der "Lageridee" präzisiert, die Bundeskanzler Kurz in den vergangenen Tagen lanciert hatte: "Um das zu tun, müsste man diese Länder als sichere Drittstaaten qualifizieren, und sie müssten sich dazu einverstanden erklären. Es ist nicht einfach zu definieren, was ein sicherer Drittstaat ist. Ich bin mir dessen nicht bewusst, dass diese Bedingungen erfüllt sind."

Diese rechtlichen Bedenken hatten schon bei der Diskussion "Im Zentrum" am Sonntag auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn und Politologin Ulrike Guerot ins Treffen geführt. „Das hat nichts mit dem europäischen Solidaritätsgedanken zu tun“, legte Asselborn inzwischen in einem Interview nach. Er werde sich gegen diese Initiative stemmen „und sie bis zum letzten Tropfen Blut bekämpfen“.

Fernhalten von Europa

Zum einen wollen Kurz, Seehofer & Co also Asylwerber von vornherein möglichst fern halten aus Europa bzw. der EU. Ginge es nach den Wünschen des österreichischen Innenministers Herbert Kickl, so könnten Asylwerber überhaupt nur noch außerhalb Europas einen Antrag stellen.

Zum anderen sollen jene, die es schaffen, möglichst rasch abgefertigt werden. In Österreich will die FPÖ Asylverfahren so straffen, dass möglichst rasch entschieden wird und Asylwerber bis dahin gar nicht die Möglichkeit erhalten, etwa einen Job anzunehmen und sich dadurch zu integrieren.

Das steht im Gegensatz zu jenen Überlegungen, die darauf abzielen, Asylwerber in Mangelberufen eine Chance zu geben und damit eine Möglichkeit zu eröffnen, sich über den Nachweis der Leistungsfähigkeit und des Gebrauchtwerdens als Zuwanderer einen Aufenthaltsstatus zu erwerben, wie es zuletzt auch Wirtschaftskammer und Gewerkschaft befürworteten

Ankerzentren

In Deutschland spricht man von so genannten "Ankerzentren", in denen die Verfahren künftig abgehandelt werden und aus denen die Asylwerber bis zum Abschluss des Verfahrens gar nie herauskommen sollen. Die Polizeigewerkschaft lehnte eine Bewachung von Ankerzentren durch die Bundespolizei ab. "Wir wissen gar nicht, warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen", fügte Malchow hinzu. "Die Leute müssen beschäftigt werden. Sie dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität", warnte der GdP-Chef.

Gegen diese Vorstellung von Lagern und Gefängnissen sprach sich im Gespräch mit dem "Kurier" auch  der ehemalige Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung, Kilian Kleinschmidt, aus: Der Versuch, alle abgewiesenen und neuen Flüchtlinge in solch ein Lager bringen zu wollen, sei ein logistischer Wahnsinn: „Solch ein Lager braucht hohe Mauern und hohe Zäune“ und erinnert daran, dass auch die  „Hotspots“ auf einigen griechischen Inseln,   nicht funktionieren. Kleinschmidt schließt  aus, dass Organisationen der UNO wie das UNHCR bei solch einem Modell mitarbeiten würden. Problematisch sei auch, dass bereits jetzt viele illegale Flüchtlinge in der EU seien, ein „Einsammeln und Überführen“ wäre folglich nur in einem „totalen Überwachungsstaat“ möglich.

Rechtliche Basis offen

Offen ist zur Stunde, wie das alles rechtlich auf solide Basis gestellt werden könnte. Die Verlockung liegt offenbar darin, dass mittlerweile viel Datenmaterial vorliegt - von den registrierten Fingerabdrücken bis hin zur geplanten Handyüberwachung. Von einem neuen EU-Asylrecht ist Europa allerdings weit entfernt, und Österreichs Bundeskanzler hat bereits durchklingen lassen, dass dieses auf Eis gelegt werden könnte, da eine Einigung derzeit unwahrscheinlich sei. Derzeit gibt es zum Thema Asyl 28 unterschiedliche nationalstaatliche Lösungen. 

Die Stimmung in der Bevölkerung in Deutschland hat sich zuletzt dramatisch verschärft, auch durch die Vorfälle beim deutschen Asylamt BAMS und durch Kriminalfälle. Was die Menschen wütend macht, ist,  dass Asylwerber, die kriminell sind oder schon abgelehnt wurden, nicht außer Landes kommen.

Angenehm nüchtern bei Maybritt Illner im deutschen Fernsehen gestern der Ministerpräsident des Saarlandes, Tobias Hans (CDU): Man arbeite bereits mit einer Art Ankerzentrum. Die Rahmenbedingungen: Man akzeptiere keine Lügen, mache durchgehend eine Altersfeststellung, verfüge über eine zentrale Clearingstelle, arbeite viel mit Sach- statt Geldleistungen. "Das funktioniert bei uns gut, die Stimmung ist nicht dramatisch schlecht." Auch dort werden die Flüchtlinge aber schon vor Ende des Verfahrens auf die Kommunen verteilt, und die SPD möchte das beibehalten.