Hunderttausende Menschen haben in Barcelona für die Freilassung von neun inhaftierten Anführern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung demonstriert. Sechs Monate nach den ersten Festnahmen forderten die Teilnehmer des Protestmarschs am Sonntag "Freiheit für die politischen Gefangenen". Die städtische Polizei sprach am Nachmittag von 315.000 Teilnehmern.

Hunderte Busse brachten Demonstranten aus ganz Katalonien nach Barcelona. Die Demonstranten schwenkten katalanische Fahnen, viele von ihnen trugen als Zeichen der Solidarität mit den Häftlingen gelbe Schleifen an ihrer Kleidung oder zogen gelbe Schals und Jacken an. Die Proteste wurden organisiert von einer im März gegründeten Plattform zum "Schutz der katalanischen Institutionen".

Demokratische Lösung

Unterstützt wurde der Aufruf von den katalanischen Sektionen der beiden größten spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT. In einem Manifest verurteilten die Organisatoren, dass der politische Streit um eine Unabhängigkeit der spanischen Region Katalonien mit juristischen Mitteln ausgetragen werde. Sie verlangten eine "demokratische Lösung des Konflikts".

Die spanische Justiz ermittelt gegen die Politiker und Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung wegen ihres Einsatzes für die Abspaltung Kataloniens von Madrid. Zwei führende Vertreter der Separatistenbewegung sitzen seit dem 16. Oktober in Untersuchungshaft: Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kandidaten für das Amt des katalanischen Regionalpräsidenten, Jordi Sanchez, und dem Chef der Organisation Omnium Cultural, Jordi Cuixart, "Rebellion" vor.

Auch der Vorsitzende der linksnationalistischen Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), Oriol Junqueras, und sechs weitere Politiker sitzen im Gefängnis. Der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont war nach der einseitigen Verkündung der Unabhängigkeit im Oktober außer Landes - zunächst nach Brüssel - geflohen. Er wurde Ende März auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls auf der Durchreise in Deutschland festgenommen, dann aber unter Auflagen wieder freigelassen.

Untreue-Vorwurf

Derzeit wird in Deutschland geprüft, ob Puigdemont wegen des Vorwurfs der Untreue ausgeliefert wird. Eine Überstellung an Spanien wegen des weit gravierenderen Vorwurfs der "Rebellion" hatte ein Gericht abgelehnt. Es argumentierte, der vergleichbare deutsche Straftatbestand des Hochverrats sei "nicht erfüllt", weil es an dem Merkmal der Gewalt fehle. Die spanische Regierung sieht das anders.

Die Demonstranten in Barcelona beteuerten am Sonntag, die Proteste für eine Unabhängigkeit Kataloniens seien stets friedlich gewesen. "Ich habe an allen Demonstrationen teilgenommen, und ich habe nie Gewalt gesehen - außer die Gewalt der Polizei, als sie gegen das Referendum vorgegangen ist", sagte der Demonstrant Juan Jose Cabrero.

Die Demonstrantin Roser Urgelles sagte, die Behörden würden angebliche Gewaltakte "erfinden", um juristisch gegen die Unabhängigkeitsbefürworter vorgehen zu können. "Wir werden aber weiter friedlich demonstrieren."