Die Eskalation im Streit zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wird sich nach Ansicht der Regierung in Teheran auf die Friedensgespräche für das Bürgerkriegsland Syrien auswirken. Die saudiarabische Entscheidung werde bei den Gesprächen in Wien und New York zum Tragen kommen, sagte der Vize-Außenminister Hossein Amir-Abdollahian am Mittwoch nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Irna.

Der Iran ist ein enger Verbündeter des syrischen Machthabers Bashar al-Assad, während Saudi-Arabien sunnitische Rebellen unterstützt. Beide Länder sind an den Bemühungen über eine friedliche Lösung beteiligt. Die Spannungen zwischen Teheran und Riad haben sich verstärkt, nachdem Saudi-Arabien am Wochenende einen schiitischen Geistlichen hingerichtet hat. Daraufhin stürmten Demonstranten in Teheran die Botschaft des Landes. Die Regierung in Riad brach daraufhin die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen ab.

Als Saudi-Arabien das letzte Mal die Beziehungen zum Iran abbrach, brauchte es die Invasion Saddam Husseins in Kuwait, um die beiden rivalisierenden Regionalmächte im Kampf gegen den gemeinsamen Feind zusammenzubringen. Auch dieses Mal ist es schwer vorstellbar, dass irgendein weniger einschneidendes Ereignis den aktuellen Konflikt lösen könnte.

Denn im Zentrum der neuen Krise stehen grundlegende Umwälzungen im Machtgefüge des Nahen Ostens: Einerseits die Rückkehr des Iran auf die diplomatische Weltbühne nach der Atom-Einigung und der daraus resultierende Machtgewinn des Landes; andererseits die zunehmende Bereitschaft Saudi-Arabiens seit der Machtübernahme von König Salman, militärisch gegen den Rivalen jenseits des Golfs und dessen Verbündete vorzugehen.

Krisengeschüttelte Region

Für die ohnehin krisengeschüttelte Region verheißt das nichts Gutes: Nicht nur die Kriege in Syrien und dem Jemen sind auch Stellvertreter-Auseinandersetzungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Ein Ende dieser Konflikte wird durch den neuen Streit zwischen den alten Feinden deutlich erschwert.

Auch die komplexe Regierungsbildung im Libanon, wo die obersten Staatsposten zum Erhalt der fragilen Machtbalance jeweils an Angehörige einer bestimmten Konfession vergeben werden, werden nicht einfacher. Das Amt des Präsidenten, das einem maronitischen Christen zusteht, ist seit 2014 vakant. In der libanesischen Innenpolitik stehen sich eine sunnitisch geprägte anti-syrische Koalition und eine pro-syrische Koalition, der auch die vom Iran unterstützte Hisbollah-Partei angehört, gegenüber. Christliche Parteien sind auf beiden Seiten vertreten. Syrien hatte den Libanon bis 2005 besetzt.

Die strategische Partnerschaft zwischen Saudi-Arabien und den USA dagegen dürfte die Querelen nach Einschätzung von Experten überstehen. Die gemeinsamen Interessen beider Länder im Kampf gegen die Extremistenorganisationen Al-Kaida und IS sowie im Öl- und Waffengeschäft seien zu groß, als dass sie ein Auseinanderdriften zuließen, sagten aktuelle und frühere Mitglieder der US-Regierung der Nachrichtenagentur Reuters. Andererseits sind die USA dank der neuen Fördermethode des Fracking inzwischen deutlich unabhängiger vom saudischen Öl als früher.

So wollen die USA dem Wüstenstaat in den kommenden Monaten Präzisionsmunition im Wert von 1,3 Milliarden Dollar (1,19 Mrd. Euro) verkaufen. Damit sollen auch Bomben und Raketen ersetzt werden, die das saudi-arabische Militär im Krieg im Jemen verbraucht hat. Die Arbeit an dem Geschäft, das in den kommenden Monaten abgeschlossen werden soll, geht nach Angaben aus Militär- und Rüstungskreisen weiter. Auch der geplante Verkauf von vier Kriegsschiffen des US-Konzerns Lockheed Martin für über elf Milliarden Dollar an das Königreich dürfte den Angaben zufolge vonstattengehen.

Bis in die 60er und 70er Jahre hinein waren Saudi-Arabien und der Iran widerstrebende Verbündete in der "Zwei-Säulen-Strategie" der USA, die den Einfluss der Sowjetunion im Nahen Osten beschneiden sollte. Religiöse Konflikte wurden unterdrückt. Doch mit dem Aufstieg Saudi-Arabiens zum Ölstaat und dem neuen Reichtum der Scheichs begann das Königreich, seine rigide salafistische Auslegung des sunnitischen Islam stärker in den Moscheen der Region zu betonen. Die Schiiten gelten danach als Ketzer.

Der Iran wiederum bekannte sich nach der Revolution 1979 zur Doktrin Velayat-e Faqih, die dem obersten geistlichen Führer des Landes die Macht über alle Schiiten zuschreibt, und exportierte diese auch. Die wachsende ideologische Kluft führte zu einem schwelenden Misstrauen zwischen beiden Staaten. Hinzu kam die geopolitische Rivalität der beiden Regionalmächte am Golf, die ihre schwierigen Beziehungen in den vergangenen 37 Jahren bestimmte.

Nach dem Iran-Irak-Krieg, der vom irakischen Staatschef Saddam Hussein 1980 begonnen wurde und bis 1988 dauerte, entwickelte der Iran eine Strategie der Vorwärtsverteidigung. Das Land versuchte, mithilfe schiitischer Araber in anderen Ländern Milizen und politische Parteien aufzubauen, die das Aufkommen neuer Feinde verhindern und als Stellvertreter-Truppen der Abschreckung dienen sollten. Die Führung in Riad beobachtete diese Entwicklung argwöhnisch. Sie befürchtete, das Erstarken der Schiiten-Gruppen könnte Revolutionen in verbündeten Staaten fördern und die Region destabilisieren.

1988 brach Saudi-Arabien die Beziehungen zum Iran ab, als ein saudischer Diplomat bei der Erstürmung der Botschaft in Teheran umkam. Vorausgegangen war der Tod Hunderter iranischer Pilger bei Zusammenstößen mit der saudischen Polizei während der Hajj, der Pilgerfahrt nach Mekka. Erst als Saddam Hussein 1990 Kuwait überfiel, schoben beide Länder ihre Animositäten beiseite, um gemeinsame Sache gegen den irakischen Staatschef zu machen.

Der Sturz Saddams im US-geführten Irak-Krieg 2003 wirbelte das regionale Machtgefüge dann erneut kräftig durcheinander. Der Iran nutzte danach seinen Einfluss auf die große Schiiten-Gemeinde in dem Nachbarstaat, um Macht in Bagdad zu gewinnen, was das Land erneut auf Konfrontationskurs mit der Führung in Riad brachte. Zudem wuchs in den Jahren des irakischen Bürgerkriegs die Kluft zwischen Sunniten und Schiiten im Irak. Anhänger von der sunnitischen Al-Kaida schickten Selbstmordattentäter in schiitische Gegenden. Mit dem Iran verbundene Schiiten-Milizen übten blutige Vergeltung.

Die jüngste Eskalation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran könnte nach Einschätzung von Experten nun die Situation in den diversen Kriegen verschärfen, in denen beide Länder unterschiedliche Seiten unterstützen. Eine direkte gewaltsame Auseinandersetzung erwarten sie aber nicht. "Seit 1979 haben beide Staaten eine Reihe von Stellvertreter-Konflikten im ganzen Nahen Osten ausgetragen und Drohungen und Beleidigungen ausgetauscht", sagt Karim Sadjadpour von der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden. "Aber sie haben immer einen direkten Konflikt vermieden und sich irgendwann auf eine kalte Aussöhnung verständigt."

Der Iran könnte allerdings versuchen, Unruhe in den Schiiten-Gemeinden in Saudi-Arabien und Bahrain zu stiften, erklärt der Experte. Riad dagegen drängt seine Verbündeten dazu, die Beziehungen zum Iran zu kappen. Theoretisch könnte das Königreich auch die Hilfe für sunnitische Rebellen-Gruppen in Syrien aufstocken, die gegen den vom Iran unterstützten Präsidenten Bashar al-Assad kämpfen.

Die Revolutionsgarden, die Zweitarmee, im Iran kündigte nach der Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien, die die neuen Turbulenzen auslöste, eine harte Vergeltung gegen die saudische Königsfamilie an. "Die Revolutionsgarde ist Teil der iranischen Regierung, und ihre Drohungen sollten ernst genommen werden, weil sie Milizen im Libanon, Syrien, dem Irak und dem Jemen kontrolliert", sagt Abdulaziz al-Sager vom Golf-Forschungszentrum in Jeddah. "Ich wäre nicht überrascht, wenn sie sie gegen die Saudis einsetzen würden."