In der Stadt Salzburg ist heute der lange erwartete Abschlussbericht der Historikerkommission über NS-belastete Straßennamen vorgestellt worden. Auf 1100 Seiten werden die Biografien von 66 Namenspaten aufgearbeitet, die unterschiedlich stark mit dem NS-Regime verstrickt waren. Bei 13 waren die Verbindungen so gravierend, dass geklärt werden soll, ob das Anbringen einer Erläuterungstafel reicht oder die Straße umbenannt werden soll. Betroffen sind auch Karajan und Porsche.

"Wie wir mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen umgehen, ist am Ende des Tages eine politische Entscheidung", sagte der ressortzuständige Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ). "Der Bericht zeigt, dass es keinen Zweifel an den Fakten gibt. Nun muss die Politik bewerten, was haben diese 13 Menschen für die Stadt Salzburg nach 1945 noch geleistet. Das war nicht die Aufgabe des historischen Fachbeirats." Der Abschlussbericht wird nun an alle Fraktionen im Gemeinderat verschickt. Nach der politischen Sommerpause soll im Herbst dann einzeln über alle 13 Namen abgestimmt werden. "Eine Mehrheit muss dann entscheiden, was mit diesen Straßen passieren wird."

Faktum ist, dass sich im Kreis der hoch belasteten Namenspaten prominente Namen finden: Neben Dirigent Herbert von Karajan und Automobilkonstrukteur Ferdinand Porsche sind dies Volkskundler und Obmann des Landestrachtenverbandes Kuno Brandauer, Musikschriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele Heinrich Damisch, Schriftsteller und Maler Erich Landgrebe, Komponist und Dirigent Hans Pfitzner, Volksmusikant Tobias Reiser, die beiden Bildenden Künstler Gustav Resatz und Josef Thorak, der Domorganist und Mozarteums-Professor Franz Sauer sowie Musikwissenschafter und Universitätsprofessor Erich Schenk, Kunsthistoriker und Universitätsprofessor Hans Sedlmayr und der Autor Karl Heinrich Waggerl.

Für die Beurteilung der Rollen der 66 Namenspaten im NS-Regime hat der neunköpfige Historiker-Fachbeirat eine Reihe von Kriterien erarbeitet: Bewertet wurden etwa die Beteiligung an Kriegsverbrechen, Zerstörungen, Plünderungen, Arisierungen oder Kunstraub - und das nicht nur als handelnde Akteure, sondern auch als Nutznießer. Auch die Propagierung von NS-Ideologie wie Antisemitismus und die Förderung des Regimes aus führenden Positionen heraus wurde beurteilt - genauso wie das Verleugnen und Verharmlosen der NS-Verbrechen nach 1945 - und der Umgang mit der eigenen Rolle in der NS-Zeit.

"Es ging nicht darum aufzuwiegen und zu verurteilen, sondern darum, die Verstrickung in das NS-Regime zu zeigen. Was haben diese Personen in der NS-Zeit gemacht", sagte heute der Historiker und Leiter des Salzburger Landesarchivs Oskar Dohle, selbst Mitglied des Fachbeirats. "Aber man kann sie nicht nur in ihrem Leben von 1938 bis 1945 beurteilen: Es geht darum, wie sind sie sozialisiert worden, aus was für einem Umfeld kommen sie, gab es vorher schon antisemitische Äußerungen und wie verhielten sie sich in der Zeit der Illegalität und der Entnazifizierung."

Von den insgesamt 66 Biografien im Abschlussbericht fallen 24 in die Kategorie I. Das sind Personen, deren Verstrickung mit dem Nazi-Regime nicht so gravierend war, dass es etwa einer Erwähnung auf einer Erläuterungstafel brauche. Bei 29 Namen (Kategorie II), gingen die Aktivitäten so weit, dass die Kommission eine Info auf den Erklärungstafeln zu den Straßennamen vor Ort empfahl. Bei den 13 Namen der "Kategorie III", für die letztlich "Diskussions- und Handlungsbedarf" geortet wurde, fiel die Entscheidung bei der Einteilung in neun der 13 Fälle einstimmig. In drei Fällen (Sauer, Sedlmayr, Waggerl) kam sie mit hoher Mehrheit (8:1 Stimmen) zustande. Einzig im Fall von Karajan war es knapper: Hier votierten vier Mitglieder des Fachbeirats für eine Einteilung in die weniger belastete Kategorie II.

In der Stadt Salzburg sind nach Vorliegen des Berichts wohl heftige Diskussionen vorprogrammiert. So hatte bereits das Durchsickern der 13 hoch belasteten Straßennamen in der Vorwoche für vielfältige Reaktionen gesorgt. Noch vor Vorliegen des Endberichts teilte etwa die Stadt-FPÖ mit, Umbenennungen sehr kritisch gegenüber zu stehen. Der KZ-Verband beharrte in einer Aussendung am Dienstag hingegen auf einer grundsätzlichen Umbenennung aller Straßen, die nach Nazis und ihren Mitläufern benannt sind. Und hinter den Kulissen dürften Angehörige betroffener Namenspaten bereits gegen Umbenennungen intervenieren.

Wie Vizebürgermeister Auinger heute sagte, dürfte die breite Bevölkerung Umbenennungen ablehnen. Er will betroffene Bürger darum einbinden. Zudem brauche es Kostenersatz von der Stadt, um die mit einer Umbenennung verbunden Kosten zu decken. "Gar nichts zu tun, ist für mich nach Vorlage des Berichts aber unvorstellbar", sagte er heute. "Einfach zur Tagesordnung übergehen, das halte ich für ausgeschlossen."