"Das ist eine Operation unglaublichen Ausmaßes, die vor wenigen Tagen noch unvorstellbar war“, umreißt Siegfried Beer,Geheimdienstexperte und Gründer des Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Services im Interview die Dimensionen der sogenannten CrypoLeaks. Demnach konnten die US-Geheimdienste und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) dank manipulierter Verschlüsselungsgeräte jahrelang die Kommunikation zahlreicher Staaten mitlesen. Das zeigen Recherchen der „Washington Post“, dem Schweizer Fernsehen SRF und dem deutschen TV-Sender ZDF, denen ein Geheimdienst-Dossier zugespielt wurde.

„Das Überraschende an der Affäre ist nicht, dass es passiert ist, sondern, dass so viele Länder diese Geräte gekauft haben. Warum war das Vertrauen so groß? Wahrscheinlich, weil es ein Schweizer Gerät war“, so der Experte weiter. „Sollten sich diese Dinge bewahrheiten, ist das die größte Spionagegeschichte der Weltgeschichte.“ Insgesamt sollen die Geräte an 120 Länder verkauft worden sein, darunter Argentinien, der Iran, Saudi-Arabien und auch Österreich. Die Sowjetunion und die Staaten des Warschauer Pakts hingegen verzichteten auf diese Crypto-Geräte.

Die „Operation Rubikon“ soll 23 Jahre, von 1970 bis 1993, gelaufen sein. 1970 haben CIA und BND gemeinsam die Crypto AG erworben, den damaligen Marktführer für Chiffriergeräte. Der BND sei 1993 aus der Aktion Rubikon ausgestiegen, die CIA soll die Spionagesoftware noch bis 2018 verkauft und verwendet haben.

Die dadurch erhaltenen Informationen hätten etwa eine entscheidende Rolle bei den Camp-David-Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern 1979, bei den Verhandlungen über die amerikanischen Geiseln im Iran 1981 und bei der US-Invasion in Panama 1989 gespielt. Zeitweise hätten CIA und BND mindestens 50, wenn nicht 70 Prozent ihrer Aufklärungsergebnisse den manipulierten Crypto-Geräten zu verdanken gehabt.

Ob Österreich tatsächlich abgehört wurde, ist unterdessen unklar. Zwar steht laut der Recherche des ZDF fest, dass Österreich manipulierte Geräte gekauft hat. Doch hätten österreichische Stellen deren „Knackbarkeit“ erkannt. Der deutsche „Plan“ sei „zu transparent“ gewesen, weshalb einige Kunden, darunter Österreich und das damalige Jugoslawien, die „Lesbarkeit“ der Maschine erkannt hätten. Unklar ist nur, wann Österreich dies erkannt habe. Das Verteidigungsministerium in Wien wollte unterdessen keine Stellungnahme abgeben. Die operative Arbeit, etwa jene des Heeresnachrichtenamtes, kommentiere man grundsätzlich nicht, erklärte Ministeriumssprecher Michael Bauer. Die Neos haben in Bezug auf die Causa bereits eine parlamentarische Anfrage gestellt.

Informationen aus Österreich seien für BND und CIA allenfalls aufgrund der geopolitischen Lage, der Rolle im Kalten Krieg und wegen des dritten UNO-Sitzes der Welt von Interesse, erklärt Beer. „Der Grund ist nicht die österreichische Innenpolitik, sondern Österreich als Begegnungsort, wo Informationen vorhanden sind und abgeschöpft werden können“, so der Geheimdienstexperte.

Nach den Enthüllungen fordern Schweizer Politiker nun einen Untersuchungsausschuss. Denn aus den Dokumenten gehe hervor, dass die Schweizer Geheimdienste in die Operation eingeweiht waren. Und auch in Deutschland verlangen Abgeordnete nun Aufklärung in der Causa.