Seit 30 Jahren gilt in Österreich ein Gewaltverbot in der Erziehung,seit 2011 ist das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit in der Verfassung verankert. Wie eine Salzburger Studie nun aufzeigte, lehnt das Gros der für die Untersuchung befragten Erwachsenen Prügel oder "ordentliche Watschn" als Erziehungsmaßnahme ab. Leichtere Formen der Gewalt und psychische Gewalt werden allerdings relativiert.

"Gelebt wird das allerdings nicht"

"Die Leute wissen, dass eine Tracht Prügel, das Versohlen des Hinterns oder das Schlagen mit einem harten Gegenstand verboten sind", sagte Studienautorin Ernestine Berger am Dienstag. "Aber rund die Hälfte der Befragten glaubt, dass es dem Gesetz nach in Ordnung ist, ein Kind leicht zu Ohrfreigen." So gut wie alle Erwachsenen wüssten zwar, dass ein Gespräch mit Kindern immer noch die beste Möglichkeit sei, Konflikte zu lösen. "Gelebt wird das allerdings nicht."

Die Studie, die aktuelle Daten mit einer Erhebung aus 2014 vergleicht, ortet eine allmähliche Verlagerung von physischer hin zu psychischer Gewalt. Ein Drittel der mehr als 800 Befragten hält es etwa für erlaubt, das Kind als Versager oder Nichtsnutz zu beschimpfen oder Kindern anzudrohen, sie in ein Heim zu stecken. Betroffene Schüler berichteten in einer gesonderten Befragung auch über Sanktionen wie tagelange Gesprächsverweigerung.

"Es fehlt eine exaktere Sensibilisierung, wo Gewalt beginnt. Auch die Zufügung seelischen Leidens ist bereits eine Gewaltausübung", sagte Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) bei der Präsentation der Studie. "Oft werden Erziehungsweisen von einer Generation nicht hinterfragt in die nächste transportiert." Was auch die befragten Schüler bestätigten. 34 Prozent der Kinder sahen es als legitimes Mittel, beschimpft und angeschrien zu werden, 26 Prozent hielten einen Klaps auf den Hintern und 22 Prozent eine "gesunde Watschn" als nicht problematisch.

"Das große Problem ist die psychische Gewalt. Wenn sie erkannt wird, wird sie toleriert", sagte Peter Trattner vom Kinderschutzzentrum Salzburg. "Viele Eltern sind sich nicht bewusst, welchen Schaden sie anrichten." Die Folgen würden von Aggressionen über Entwicklungsstörungen bis hin zu psychischen Problemen reichen. "Die Schäden sind auch volkswirtschaftlich enorm. Sie zu reparieren kostet viel Geld."

"Nur subtiler, weniger sichtbar"

Auch Andrea Holz-Dahrenstaedt von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg betonte, dass Verletzungen und Folgen psychischer Gewalt jenen körperlicher Gewalt um nichts nachstehen. "Nur subtiler, weniger sichtbar - und wie man sieht auch verharmlosender." Sie forderte heute mehr Präventionsarbeit und Bewusstseinsbildung. "Es gilt, so früh wie möglich Druck von den Eltern zu nehmen." Die Gründe für Gewalt gegenüber Kindern seien bekannt: Persönliche Überlastung, eigene Gewalterfahrungen, finanzielle Probleme oder berufliche Überforderung. "Es geht darum, Handlungsalternativen zu schaffen, konkrete Angebote, was Eltern bei Überforderung machen können."

Betroffene Kinder bräuchten überdies außerhalb der Familie Menschen, an die sie sich wenden können. Berater, Vertrauenslehrer, Schulsozialarbeiter oder Schulpsychologen. Und Holz-Dahrenstaedt wünscht sich auch mehr Sensibilisierung und Zivilcourage in der Öffentlichkeit. Denn immer noch mehr als ein Viertel der Befragten ist der Überzeugung, dass, was in der Familie passiert, Außenstehende nichts angehe.