In einer neuen Studie zur Rückkehr des Wolfs im Alpenraum spricht sich Wildtierbiologe Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien für ein Wolfs-Management und für eine Entnahme von "echten Problemwölfen" aus. Salzburgs Agrar-Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) sieht sich durch diese Expertise in seiner Forderung nach einer Änderung des europäischen Schutzstatus des Wolfs bestätigt.

20 bis 25 Schafe und zwei Jungrinder fielen heuer im Salzburger Pongau nachweislich einem Wolf zum Opfer. Mehr als 20 Weidetiere gelten als vermisst. Deshalb haben Almbauern bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf "Entnahme" - gemeint ist der Abschuss - des Wolfs gestellt. Die Entscheidung darüber steht noch aus. Es wäre der erste genehmigte Abschuss eines Wolfs in Österreich, nach dem sich die streng geschützten Tiere hierzulande wieder angesiedelt haben.

Echte Problemwölfe entnehmen

Auf Initiative von Landesrat Schwaiger, der eine Herabstufung des europaweiten Schutzstatus in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) befürwortet, hat Universitätsprofessor Hackländer vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft ein Gutachten über die Auswirkungen der Rückkehr des Wolfs erstellt. "Grundsätzlich ist es aus Sicht des Artenschutzes wichtig, echte Problemwölfe zu entnehmen", stellte der Experte fest. "Es ist zum Wohl jener Artgenossen, die sich so verhalten, wie wir es gerne hätten: Diese fressen hauptsächlich Wild und meiden die Nähe des Menschen."

Der Wolf sei längst da. "Die Frage ist vielmehr, wie wir mit ihm umgehen. Lassen wir ihm alle Freiheiten oder managen wir ihn - so wie wir übrigens seit jeher jedes andere Wildtier, etwa Rotwild, auch managen." An einem Wolfs-Management führe kein Weg vorbei, lautete das Resümee des Professors. "Unsere Kulturlandschaft ist keine Wildnis. Es gibt Gebiete, wo es durchaus Platz gibt für Wolfsrudel, und Gebiete, wo wir nur Durchwanderer dulden können."

Obergrenzen

Man müsse sich Obergrenzen überlegen, schlug Hackländer vor. "Alles was darüber hinausgeht, wird entnommen." Eine Voraussetzung für eine Entnahme sei jedenfalls das Erreichen des günstigen Erhaltungszustands einer Wolfspopulation. Biologisch gesehen stellten alle Teilpopulationen der Wölfe in Europa eine Gesamtpopulation dar. "Anzustreben wäre deshalb in der FFH-Richtlinie eine Klarstellung, dass der günstige Erhaltungszustand nicht in Bezug auf die nationale, sondern die europäische Ebene zu betrachten ist."

In den Alpen sei das Errichten von Zäunen aufgrund der Bodenbeschaffenheit und der Topografie technisch oft nicht möglich und das Hüten der Weidetiere mit Hunden in den Bergen zu mühsam, so der Wildtierbiologe. Die Almwirtschaft sei schon jetzt mehr oder weniger Liebhaberei. Die Förderungen seien gerade einmal kostendeckend. Die ökologische Lebensraumtragfähigkeit in Österreich betrage je nach Modellierung und Gewichtung der darin berücksichtigten Variablen von mehreren Hundert bis deutlich über 1.000 Wölfe. Österreich biete großflächig attraktive Lebensräume und es sei anzunehmen, dass sich in naher Zukunft weitere Rudel auch in Westösterreich etablieren könnten.

Für das neue Gutachten wurden nach Angaben der Salzburger Landeskorrespondenz 1.000 Personen zu ihrem Freizeitverhalten und 30 Almbauern befragt. Alle Befragten sehen eine permanente Anwesenheit des Wolfes kritisch, hieß es. Eine hohe Zustimmung gebe es dafür, dass der Wolfs-Bestand regelmäßig von Fachleuten geprüft und bei Problemen jeweils der Ort und die Anzahl der Wölfe für den Abschuss festgelegt wird. Herdenschutzmaßnahmen wurden von einer Mehrheit als unrealistisch abgelehnt. Die Almwirtschaft wegen der Rückkehr des Wolfes aufzugeben, spiele für die Landwirte derzeit eine geringe Rolle. Das könne sich aber in Zukunft ändern, wenn ein bedeutender wirtschaftlicher Schaden daraus entstünde.

"Wenn die Schäden durch die Wolfsangriffe überhandnehmen, ist eine Zonierung notwendig, damit einzelne Problemtiere entnommen werden können", forderte der Salzburger Silvester Gfrerer, Obmann des Alm- und Bergbauernvereins. Da aus technischen Gründen in vielen Almregionen kein sinnvoller Schutz möglich sei, sei die Bewirtschaftung in Gebieten mit regelmäßiger Wolfspräsenz künftig in Gefahr. Dazu Landesrat Schwaiger: "Die traditionelle alpenländische Landwirtschaft muss auch künftig ohne aufwendige Begleitmaßnahmen möglich sein." Dafür seien die Gesetze der EU derzeit ungeeignet. "Wir müssen uns um eine Änderung des Schutzstatus des Wolfs bemühen. Wenn sich diese in großer Zahl bei uns ansiedeln, wird sich das Gesicht unseres ganzen Landes ändern."

WWF kritisiert Land Salzburg

Die Naturschutzorganisation WWF Österreich hat das Wolfsmanagement des Landes Salzburg als "völlig untauglich" kritisiert. "Der Wolf ist eine europarechtlich streng geschützte Art. Daher muss die Landespolitik endlich eine praxistaugliche Herdenschutz-Offensive starten anstatt ständig nur Abschussfantasien zu wälzen, die dem EU-Recht widersprechen", erklärte WWF-Experte Christian Pichler.

Diese Linie würde auch die aktuelle Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) im Auftrag der Bundesländer bestätigen. "Zur Vermeidung der Konflikte mit Nutztierhaltern kann aufgrund des aktuellen Schutzstatus der Wölfe nur die Forcierung der Herdenschutzmaßnahmen beitragen", zitierte der WWF am Mittwoch in einer Aussendung aus der Studie.

"Freibriefe für Abschüsse auf Basis willkürlicher nationaler 'Obergrenzen' widersprechen dem EU-Naturschutzrecht", erklärte Pichler. Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf sei jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob nicht gelindere Mittel wie Herdenschutz oder der Einsatz von Hunden zum Ziel führen. Bisher sei aber "wenig bis nichts getan" worden, um konkret an Ort und Stelle zu helfen. "Damit lässt der zuständige Landesrat auch die betroffenen Weidetierhalter allein im Regen stehen. Das ist und bleibt ein Skandal", meinte der WWF-Experte.

Dass der Salzburger Landesrat Josef Schwaiger wiederholt von einem "Problemwolf" spreche, sei aus naturschutzfachlicher Sicht falsch: "Ein Wolf kann nicht zwischen erlaubter und unerlaubter Beute unterscheiden, solange er nicht durch Herdenschutzmaßnahmen von ungeschützten Weidetieren abgehalten wird", erklärte Pichler.

Ein richtig angewendeter Herdenschutz sorge dafür, dass Wölfe von Beginn an Weidetiere meiden und Wildtiere erbeuten, "weil sie sonst einen Stromschlag bekommen oder sie ein Herdenschutzhund vertreibt". Mit der im Managementplan verankerten Zucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden müsse rasch begonnen werden. "Dazu gehört die Suche nach geeigneten Hirten, um diesen traditionellen Beruf wiederzubeleben", sagte Pichler. Parallel dazu brauche es eine ausgewogene Beratung der Landwirte sowie unbürokratische und ausreichend dotierte Entschädigungslösungen nach Vorbild der Schweiz und anderer Nachbarländer, die mit weit größeren Wolfs-Populationen leben würden.