Zählen Sie zu jenen, die sich wie Millionen Österreicherinnen und Österreicher auf einen pandemiebefreiten Sommer gefreut haben? Also auf einen Sommer wie früher, einen Sommer ohne Mund-Nasen-Schutz, ohne Blick auf Inzidenzzahlen und Delta-Debatten. Sie zählen zu jenen, die nicht daran geglaubt haben? Dann könnten Sie zur Gruppe der ebenfalls schon millionenfach vorkommenden Hobby-Infektiologen und Hobby-Epidemiologen gehören, die nach der großen Covid-19-Entwarnungsrede des Bundeskanzlers die Stirn in sorgenvolle Falten gezogen haben. Und die der Botschaft, dass die Impfung der „game changer“ sei und es deshalb nicht mehr die Aufgabe des Staates sei, einen Schutzschirm über alle zu spannen, nicht viel abgewinnen konnten. Auch nicht der Ansage des Kanzlers, dass es mit der Impfung in der Eigenverantwortung eines jeden einzelnen liege, sich zu schützen oder nicht zu schützen.

Natürlich ist Eigenverantwortung gefragt, aber was wenn nicht der Schutz jener, die aus verschiedensten Gründen nicht geimpft werden können, liegt im ureigensten Verantwortungsbereich eines Staates. Wie auch der Schutz der Wirtschaft und der Arbeitsplätze, die durch steigende Infektionszahlen und Mutationen gefährdet werden. Griechenland grüßt. Was wenn Deutschland in drei Wochen mitten in der Hochsaison auch Österreich aufgrund der Inzidenzzahlen wieder zum Risikogebiet erklärt? Da würde der Verweis auf die Eigenverantwortung jedes Bürgers und jeder Bürgerin einer unrühmlichen Bankrotterklärung der Regierung mit einem weiteren Milliardenschaden für Österreichs Tourismuswirtschaft gleichkommen. Verständlich, dass Gastronomie-Obmann Mario Pulker jetzt aus Sorge vor Reisewarnungen sogar eine generelle Impfpflicht fordert. Der Molekularbiologe Ulrich Elling hat das Problem auf den Punkt gebracht. Es gebe, sagt er, Momente, in denen man Menschen nicht guten Gewissens sich selbst überlassen könne.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und SPÖ-Parteiobfrau Pamela Rendi-Wagner, eine der wenigen Nicht-Hobby-Pandemie-Expertinnen in der aktuellen Politiker-Riege, setzen diese Weisheit ja schon länger um. Und heute berät wieder die Corona Taskforce-Gruppe im Gesundheitsministerium über mögliche Verschärfungen. Nein, das passt nicht wirklich zur erst vier Wochen alten Frohbotschaft „Es kann wieder getanzt, gefeiert und geheiratet werden“. Aber immerhin darf weiter getanzt werden. Selbst wenn ab heute die Zutrittsregeln für die Nachtgastronomie mit der Streichung eines G (genesen) und eines verschärften G (nur mehr PCR-Test) wieder strikter werden. Bleibt zu hoffen, dass der Retourgang nicht zu spät kommt.

Bestätigt fühlen kann sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der unter großem Protest der Tourismusministerin selbst sechsjährige Kinder für Badbesuche weiter testen ließ. Und er geht weiter seinen eigenen Weg und zieht bei den heute in Kraft tretenden Erleichterungen nicht mit. Ja, ab heute gibt es Erleichterungen, aber voraussichtlich auch wieder Verschärfungen. Vergessen Sie also in Wien niemals Ihre Maske, wenn Sie einkaufen. Maskenfreies Einkaufen im Handel - ausgenommen Lebensmittelgeschäfte und Apotheken – ist ab heute überall außerhalb von Wien erlaubt. Zu hohe Infektionszahlen hätten Auswirkungen auf den Wiener Wirtschaftsstandort und würden sich damit negativ auch auf die Beschäftigungszahlen auswirken, bietet Ludwig mit seinem Sonderweg der Bundesregierung die Stirn.

Warten wir ab, welche Verschärfungen der Gesundheitsminister nach der Sitzung der Taskforce mitteilen wird. Und wann die heute in Kraft tretenden Erleichterungen möglicherweise mit Blick auf den Tourismus wieder zurückgenommen werden – damit der pandemiebefreite Slogan der Österreich Werbung halten kann, was er verspricht. Er lautet: „Spüre das Leben“ 

In diesem Sinne: Spüren Sie das Leben!