Der Kanzler steht also politisch rechts von der deutschen CSU. Rechts von der CSU, so lautete jahrzehntelang das Mantra der CSU, dürfe kein Platz sein, der sich innerhalb des deutschen Grundgesetzes bewegt. Sebastian Kurz ist dort, weil die deutsche Verfassung ihm zu Recht egal sein kann. Die Partei von Franz Josef Strauß ist für Sebastian zu links. Christian Konrad, eigentlich auch nicht gerade sehr verdächtig, dem schwarzen Block anzugehören, findet die Haltung des Kanzlers in der Flüchtlingsfrage unerträglich. Konrad, der lange Jahre der eigentliche Schattenchef der ÖVP war, ohne den kein Bauer einen Pflug und kein Bäcker eine Ausstechform kaufen konnte, findet es unmenschlich, Kinder und Frauen in diesem Elendslager in Griechenland sich selbst zu überlassen, jetzt, wo nicht einmal mehr Ärzte ohne Grenzen helfen dürfen. Dem Kanzler ist’s wurscht. Wenn er im Autoradio in seinem Geilomobil etwas zu Moria hört, wechselt er den Sender zu Tanzmusik aus den 50ern.

Ein einziger Wasserhahn für 1300 Flüchtlinge? Egal. Da ist es wichtiger, im Wien-Wahlkampf FPÖ-Stimmen zu bekommen. Das müssen die Neugeborenen, die im Freien schlafen müssen, verstehen. Partei geht vor. An der Stelle, wo andere in der ÖVP früher ein Herz hatten, ist heute eine VIP-Karte von einer Partylocation von Martin Ho. Denn dort kann man Partys trotz Corona feiern. Es muss ja irgendeinen Vorteil haben, den Kanzler zu kennen und der Kanzler hat immer recht.
Stimmt es eigentlich, dass Kurz Kanzlerin Merkel darum gebeten hat, Wien zur Krisenregion auszurufen, weil die Zahlen so hoch sind? Nämlich die Umfragezahlen für Michael Ludwig?

Bei Sebastian kommen menschliche Überlegungen eher kurz. Das darf er natürlich so halten, aber man darf sich auch verwundert ans eigene Herz greifen, so wie Christian Konrad. Vielleicht aber sind Slim-Fit-Anzüge so eng, dass so etwas wie Empathie keinen Platz hat. Konrads Anzuggröße lässt so etwas zu. Sogar die Anzüge der Herren in der CSU. Die sich ja aufs Christentum berufen. Jesus trug keine Slim-Fit-Anzüge und hatte kein Gel im Haar. Die Frage ist, ob Jesus Türkis wählen würde. Wahrscheinlich wäre Jesus selten in der ÖVP-Zentrale dieser Tage. Nicht aus Angst vor Corona, sondern weil es da zum Beispiel auf den griechischen Inseln Menschen gibt, die ihm näherstünden als unser Kanzler.

Aber das Gute ist, dass man mit den Jahren lernen kann. Je mehr Haare in den Ohren wachsen, umso gütiger werden manche. Nicht alle, aber in meiner Sendung „Willkommen Österreich“ zum Beispiel ist es doch auffallend, wie klug und mitfühlend ältere Menschen sind. Konrad hat früher als Bankmanager auch kaum Zeit gehabt, sich mit Flüchtlingsfragen zu befassen. Aber jetzt, im Alter, tut er das. Und kommt zu einem ganz einfachen, menschlichen Resultat. Helfen. Wir sollten einfach helfen. Nicht mit ein paar Decken. Sondern wirklich. Weil wir es können.