Wie fühlt es sich an, in der Nacht viermal geweckt zu werden, um 6.30 Uhr todmüde ein brüllendes, ebenfalls müdes Kleinkind anzuziehen, es in die Krippe zu bringen und dann acht Stunden zu operieren oder zu servieren? Es fühlt sich nach absoluter Erschöpfung an. Wie viel feministisches Falschgeld wird aber dennoch weiter in all den Debatten über „Herdprämien“ gewechselt? Zu Recht hat soeben ein Leser beklagt, dass Medien den Begriff „Herdprämie“ ziemlich unreflektiert übernommen haben. Als ob Mütter, die die ersten Jahre ihre Kinder vorwiegend selbst betreuen, gehirnamputierte, vorgestrige Wesen wären, die sich aufgrund einer „Prämie“ an den Herd locken lassen. Als ob diese Frauen – von der Kassiererin, der Anwältin bis zur Ärztin – nicht deshalb oft die ersten 18 bis 24 Monate – oft zähneknirschend - nur Teilzeit arbeiten oder ganz bei ihren Kindern bleiben, weil sie a.) nicht mehr schaffen und b.) davon überzeugt sind, es sei das Beste für ihre Kinder oder c.) jener Krippenplatz fehlt, der den Erwartungen einer Top-Betreuung entspricht. Und dann wird diesen Müttern von Frauenpolitikerinnen oder Berufsfeministinnen mit erhobenem Finger erklärt, „die Freiheit der Frau beginnt in der eigenen Geldbörse im Gegensatz zu den unsäglichen Herdprämien, mit denen manche Bundesländer die völlig falschen Anreize setzen“? Ob diese Politikerinnen je in der Nacht geweckt wurden?
Von Mensch zu Mensch
Gehirnamputierte Mütter?
© © Ernst Weingartner