Barfuß lief der sechsjährige Henning Venske vom 8. Mai bis zum 6. August 1945 mit seiner Mutter, Tante und einem Cousin vom Wolfgangsee, wohin es die aus Stettin stammende Teilfamilie verschlagen hatte, bis nach Kiel an der Ostsee. Ohne zu wissen, ob die dort gesuchten Großeltern überhaupt noch am Leben waren. Ein prägendes Erlebnis für den späteren Satiriker, der am 3. April 80 Jahre alt wird.

Auf dem langen Marsch hörte der Bub die von Verzweiflung gezeichneten Gespräche der Erwachsenen - und sah von Bomben zerstörte Städte. "Es war für mich sehr prägend, zu sehen, was mit einem Land passiert, wenn man es Nazis überträgt", erinnert sich Venske im Gespräch mit der dpa in seinem gemütlichen Stammcafe in seiner langjährigen Wahlheimat Hamburg.

Stets ein Streitbarer

Obwohl noch ein Kind, geriet die bittere Erfahrung zum Grundstock für ein überaus kritisches politisches Bewusstsein, das Venske zu einem der bekanntesten und streitbarsten Kabarettisten Deutschlands werden ließ. So war er Mitglied der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und erhielt 2010 - mit seinem Lieblingspartner Jochen Busse - den Ehrenpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis.

Messerscharf positioniert sich der Mann bis heute als "Anarchist". Mit Vehemenz setzt er sich dagegen ein, dass Menschen Macht über andere Menschen gewinnen.

Gern würde er sämtliche Armeen und Parteien der Welt abschaffen. Auf grundlegende Verabredungen und Ordnungskräfte könne eine Gesellschaft aber nicht verzichten, erklärt er. Zwar sei er als junger Familienvater kein aktiver "68er" gewesen, erinnert sich Venske. Doch habe er damals zum Beispiel den Einsatz des Studentenführers Rudi Dutschke gegen den "Muff von tausend Jahren" bewundert.

Ein Stück weit deutsche Erfolgsgeschichte

Bei alledem kennen viele Deutsche den Mann vor allem aus den 70er-Jahren als Henning an der Seite von Lilo Pulver in der kunterbunten TV-Jugendserie "Sesamstraße". Von 1971 bis 1974 moderierte Venske außerdem die ARD-Sendung "Musik aus Studio B". Er schrieb erfolgreich Kinderbücher ("Als die Autos rückwärtsfuhren") und seine Autobiografie ("Es war mir ein Vergnügen"). Denn der Künstler - ein Halbbruder der Autorin Regula Venske (63, "Ein allzu leichter Tod") - ist flexibel und wechselt sein Medium, wenn ihm inhaltlich oder strukturell etwas an einem Arbeitgeber nicht passt. Juristische Auseinandersetzungen scheute er dabei nicht.

Nach seinem abgebrochenen Studium der Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaft in Münster und Köln strebte Venske die praktische Beschäftigung mit Literatur an - und erlernte den Schauspielerberuf. Er besuchte die Max-Reinhardt-Schule in Berlin und war Privatschüler der berühmten Schauspielerin Käthe Braun. Später arbeitete er als Regieassistent am Schiller-Theater für Größen wie Fritz Kortner und Boleslaw Barlog. "Bei ihnen habe ich das Handwerk und die Disziplin gelernt, die ich für mein Tun als wesentlich erachte", sagt Venske, der sich privat eher als ernst denn als übermäßig witzig betrachtet. "Hinter jedem Komiker steht ja ein Melancholiker. Ich habe aber auch Spaß am Leben gehabt", resümiert er.

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