Nach der letzten Vorstellung am Montagabend um 22:00 Uhr fällt der Startschuss. Bis zum Einlass am Donnerstagabend um 20:30 Uhr stehen den Handwerkern an die 70 Stunden zur Verfügung, um die Wiener Staatsoper in jenen opulenten Ballsaal zu verwandeln, der jedes Jahr aufs neue mit üppigen Blumenschmuck erstrahlt und prominente Gäste und Künstler aus aller Welt anzieht. Die heurige Ausgabe am 4. Februar steht ganz im Zeichen des Jubiläums des Events, das zum 60. Mal nach dem Zweiten Weltkrieg gefeiert wird. 

Schlacht an der Feststiege ist passè

Seit Desiree Treichl-Stürgkh 2008 das Amt der Opernball-Organisatorin übernommen hat, schreiten die Besucher des legendären Wiener Opernballs über einen Roten Teppich in das ehrenwerte Haus am Ring. Die Schlachten der Fotografen an der Feststiege haben so ein Ende gefunden. Waren es in den ersten Jahren die österreichische Staatsspitze und die damaligen Schauspiel-Größen wie die Wessely, Matz oder Nicoletti, die sich die Ehre auf der Feststiege gaben, so sorgte seit 1992 Baumeister Richard "Mörtl" Lugner alle Jahre wieder für den einen oder anderen handfesten Skandal mit seinen meist weiblichen Stargästen. Seine "Opernballspenden" kamen nicht immer bei allen gut an, konnte doch das eine oder andere IT-Girl den früheren Hollywood-Größen wie Fay Dunaway oder der italienischen Diva Sophia Loren nicht das Wasser reichen. In diesem Jahr hat Lugner mit dem ehemaligen Kinderstar Brooke Shields eine vergleichsweise unaufgeregte bezahlte Ballbegleitung gefunden.

60 Jahre Opernball: "Ganz Wien tanzt"

Die Geburtsstunde des weltweit bekannten Balls reicht in die Zeit des Wiener Kongresses im Jahr 1814 zurück, kein Wunder, hieß es doch schon damals: "Der Kongress tanzt". Erstmals fand im Jahr 1877 der erste Ball als "Hofopern-Soirée" am heutigen Schauplatz - der Staatsoper am Ring - statt. Am 9. Februar 1956 wurde der Höhepunkt der Wiener Ballsaison das erste Mal in der Zweiten Republik veranstaltet, erst kurz nachdem die zerbombte Staatsoper wiedereröffnet werden konnte.

Organisiert wurde der Ball jahrzehntelang von Christl Schönfeldt, ab 1981 übernahm Lotte Tobisch und ab 1999 Elisabeth Gürtler das Zepter. Hatte Gürtler noch Größen aus Wirtschaft und Politik nach Wien geholt, so machte sich ihre Nachfolgerin Desiree Treichl-Stürgkh daran, den Opernball zu "entstauben". Einige Neuerungen prägten den Ball, plötzlich gab es Bars, Eisstände und Opernball-Drinks, gefeiert wird neuerdings bis fünf Uhr morgens.  

Verband der langjährige Staatsopern-Direktor Ioan Holender stets eine leidenschaftliche Hassliebe mit dem Society-Event, so stellte sein Nachfolger Dominique Meyer die Künstler des Hauses in den Mittelpunkt des Abends. Beim Ball im Jahr 2011 wirkten erstmals auch die Wiener Philharmoniker bei der Eröffnung mit.

"Prunkstück" zum Abschied

Treichl-Stürgkh will zu ihrem Abschied, sie hat ihren Rückzug als "Ballmutter" im Jänner bekannt gegeben, noch einmal "ein Prunkstück" inszenieren. Seitens der teilnehmenden Künstlern ist ihr das bereits gelungen: Wurde heuer doch niemand geringerer als der spanische Star-Opernsänger Placido Domingo für die Eröffnung gewonnen. Er wird nicht nur "Da geh' ich zu Maxim" aus "Die lustige Witwe" von Franz Lehar und ein Duett mit der russischen Sopranistin Olga Peretyatko singen, sondern auch das Staatsopernorchester dirigieren

Bei der Eröffnung der Jungherren und Jungdamen wird dann eifrig aus der Geschichte des Balles zitiert: Die 144 Debütantenpaare werden zu einem Potpourri mit Ausschnitten der meistgespielten Eröffnungen der vergangenen 60 Jahre tanzen: die "Annen-Polka", die "Feuerfest-Polka", den Einzugsmarsch aus "Der Zigeunerbaron" und der "Radetzkymarsch". Zudem steht mit dem "Klipp-Klapp Galopp" erstmals keine Polka auf dem Programm der Komiteedarbietungen. Die traditionellen Teile wie die "Fächerpolonaise" von Carl Michael Ziehrer oder Johann Strauß' "An der schönen blauen Donau" bleiben bestehen. "Die Eröffnung soll richtig Lust zum Tanzen machen", sagte der verantwortliche Tanzlehrer Roman Svabek.

Die Politik ist heuer stark vertreten. An der Spitze der Riege kommt Bundespräsident Heinz Fischer, heuer zum letzten Mal als Staatsoberhaupt. Er empfängt als Staatsgast den finnischen Präsidenten Sauli Niinistö mit dessen Frau Jenni Haukio. Von seinen potenziellen Nachfolgern dürfte nur Andreas Kohl das Staatsgewalze besuchen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird, nachdem er im Vorjahr wegen eines EU-Gipfels passen musste, wieder mit dabei sein. Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat sein Kommen angekündigt.

"Alles nicht zu ernst nehmen"

Richards Lugners Ehefrau Cathy hat es sich nicht nehmen lassen, einen eigenen Gast einzuladen, nämlich den Rapper Mr. Probz. Ihren großen Auftritt hat sie in einem Kleid des deutschen Designers Harald Glööckler. Glööckler und Lugner lieferten sich 2013 vor dem Opernball ein Scharmützel, nachdem Medien den Designer fälschlicherweise als Lugner-Gast betitelt hatten. "Davon möchte ich mich in jeder Form distanzieren. Dafür hat mir der Wiener Opernball einfach zu viel Tradition, Niveau und Klasse, als dass ich mit so etwas in Verbindung gebracht werden möchte", ließ Glööckler damals den Baumeister wissen. "Vögel wie den Herrn Glööckler gibt es jedes Jahr. Die nehmen sich den Lugner als Reibebaum, um sich wichtig zu machen", konterte der Baumeister.

Ob Lugnersche Ausrutscher, Demonstration vor dem Haus oder barbusige Aufreger auf dem Tanzparkett, am besten man nimmt das gesellige Treiben - wie die jahrelange Opernball-Organisatorin Lotte Tobisch meint - nicht all zu ernst: "Es ist im Grunde ein Faschingsfest. Und das Kostüm dieses Faschings ist der Frack und das lange Abendkleid."