Hauptarterie im rechten Oberschenkel abgerissen. Trümmerbrüche im ganzen Körper. Abgerissene Muskeln. Zerfetzter Knorpel und Meniskus. Großflächige Hautabschürfungen. Gebrochener Lendenwirbel.
Die Liste der Verletzungen, die Gela Allmann erlitten hatte, ließe sich fortsetzen. Die Ärzte in Reykjavík konnten aber ihr rechtes Bein nach einer neunstündigen Notoperation retten.

Wenige Stunden zuvor, gegen 14.55 Uhr am 3. April 2014, glaubte die Deutsche Gela Allmann, am Höhepunkt ihrer Karriere zu stehen: Die damals 29-jährige Bayerin war als Sportmodel, erfolgreiche Skibergsteigerin und Bergläuferin für ein Fotoshooting nach Island geflogen. Doch dann passierte es: Auf einem Berg oberhalb eines Fjordes im Norden Islands machte sie einen Schritt zuviel. Und stürzte ab. 800 Meter über den Berghang in die Tiefe. Immer weiter und weiter. Bis sie bei vollem Bewusstsein mit schwersten Verletzungen liegen blieb. Und überlebte.

Ein Fotoshooting am Fjord in Island: Ein Schritt zu viel und Gela Allmann stürzte 800 Meter ab
Ein Fotoshooting am Fjord in Island: Ein Schritt zu viel und Gela Allmann stürzte 800 Meter ab © Aus dem Buch "Sturz in die Tiefe" Allmann/ Privat

Wie eine gefühlte Ewigkeit

Fotograf Baschi Bender und Redakteur Tobias Hatje eilten zu ihr. Allmann wusste, dass sie es jetzt schaffen konnte. Irgendwann, es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, hörte sie die Rotorblätter eines Helikopters. Das Bein ragte noch aus dem Heli heraus als sie in Richtung Reykjavík abhob. Ein Rettungshubschrauber, der groß genug gewesen wäre, stand nicht zur Verfügung. „Aber die Kühlung hat vielleicht mein Bein gerettet“, sagt Gela Allmann. Die Spitzensportlerin hat sich mühsam und nur durch jahrelange Rehabilitation zurück in ein normales Leben gekämpft. Heute hält die 35-jährige Deutsche Motivationsvorträge und ist Botschafterin für den Charity-Lauf von „Wings for Life“ am 5. Mai in München.


Ob es sie stört, wenn man sie auf ihren Unfall reduziert? „Da macht man sich seine Gedanken“, sagt sie, fügt aber hinzu: „Aber ich weiß ja auch, dass mich letztendlich der Unfall bekanntgemacht hat.“ Ihre Geschichte schrieb sie in dem Buch „Sturz in die Tiefe“, das bei Malik erschienen ist, nieder. „Der Unfall hat gezeigt, dass ich ein sehr positiver Mensch bin“, sagt Allmann, die heute wieder auf Skiern steht. Noch im Krankenhaus stellte sie sich die Frage, wie sie später als Frau wahrgenommen werden würde. Sie ist schließlich Sportmodel. „Meine eigenen Narben sehe ich heute nicht mehr. Und ich verlange nicht mehr, dass mein Körper Spitzensport betreibt.“ Was ihr Selbstbewusstsein aber wieder enorm stärkte, war die Geburt ihres Sohnes Felix: „Ich bin stolz auf meinen Körper, was er geleistet hat. Nach der Schwangerschaft und der Stillzeit dachte ich: Mein Körper, du bist der Hammer.“

Die Beschränktheit des eigenen Körpers

Nach dem Unfall erlebte sie die Beschränktheit ihres eigenen Körpers: Sie musste lernen wieder eigenständig auf die Toilette zu gehen, überhaupt gehen zu lernen. Allmann war nur haarscharf an einer Querschnittslähmung vorbeigeschrammt. „Mir fällt es schwer, eine Grenze zu akzeptieren. So bin ich vom Typ, dass ich mir denke, es muss doch noch ein bisschen weiter gehen.“ Das hat ihr auf ihrem langen Weg der Reha geholfen. Gleichzeitig ist da aber dieses Gefühl der Begrenztheit in ihr entstanden: „Ich gebe immer alles, aber ob das Endergebnis hier oder hier ist, das ist mir jetzt wurscht.“ Im Skibergsteigen kann sie nicht mehr die Grenzen von früher erreichen, aber es macht ihr wieder Spaß. Ihr Sohn Felix hat ihr Leben noch einmal stark verändert. Doch auf diese Veränderung - das Zurücktreten, das Übernehmen von Verantwortung - war sie durch ihren Unfall vorbereitet. „Es hat erst dieser Unfall passieren müssen“, sagt sie, und fügt hinzu: „Hätte ich zuerst ein Kind bekommen, hätte mich das vielleicht fertiggemacht.“

Gela Allmann beim Interview, das während des "International Mountain Summit" in Brixen stattfand
Gela Allmann beim Interview, das während des "International Mountain Summit" in Brixen stattfand © Andreas Kanatschnig


Jetzt ist sie eine überglückliche Mama. Das Trauma des Sturzes kam mit der Geburt von Felix noch einmal hoch: „Da gab es diese Szenen des Kontrollverlustes, wo ich nichts tun konnte. Die wieder für mich gefühlt ähnlich waren.“ Die Momente, in denen sie sich wie gelähmt fühlt und glaubt, dass nichts mehr geht, werden weniger. Vielleicht helfen ihr auch ihre Motivationsvorträge mit dem Titel „Fight! Smile! Love!“ in denen sie eine Reise zu ihrer „inneren Power“ macht. Von dieser Kraft hat sie heute (meistens) aber wieder genug.