Vier Schritte zur Seite, zwei nach vorne, Arme seitlich, Hände kreisen lassen.“ Szenen, die ein wenig an den Kultfilm „Sister Act“ mit Whoopi Goldberg erinnern, jenen Film, in dem eine Nachtklubsängerin in ein Kloster flieht und mit den Nonnen zu singen und tanzen beginnt. Schwester Maria Leopold lacht hell auf. „Die Songs ` Oh Happy Day` und ´I will follow him´ waren damals auch unsere Hits, aber Sister Act ist keine Vorlage für unsere Filme auf TikTok“, wehrt sie ab. Selbst wenn sie wie Goldberg in „Sister Act“ leidenschaftlich gerne tanzt und singt. Allerdings mit Einschränkungen, wie sie lachend in ihrem Büro in Dobl gegenüber einem der ehemaligen Jagdschlösser von Kaiserin Maria Theresia und der privaten Volksschule und Mittelschule ihrer Ordensgemeinschaft erklärt. Als die Choreografin sie aufforderte, mit den Händen seitlich zu kreisen, lehnte sie entschieden ab und rief: „Wir sind ja keine Pinguine.“

„Jesus würde heute in die Disco gehen“

Es müsse, sagt sie, stimmig sein. „Es muss zu uns passen und es soll Fröhlichkeit ausstrahlen“, erklärt sie. Fröhlich wie ein Tanzvideo auf TikTok, das Heidi Klum repostete und das die tanzende Klosterschwester an diesem Tag mit fast einer Million Klicks zum TikTok-Star machte.

Dieses Video könnte Sie auch interessieren

Was ihre Motivation ist, bei diesen Point of View-Jesus-Filmen, kurz POV-Jesus, der Diözese Graz-Seckau mitzumachen? Was für eine Frage an eine Frau, die seit ihrem 23. Geburtstag ihr ganzes Leben als barmherzige Schwester des Heiligen Vinzenz dem Glauben und der Seelsorge widmet. „Es geht mir darum, Gott auch jenen näherzubringen, für die die Religion keine Rolle mehr spielt. Jesus würde heute mit Sicherheit in Discos gehen und auf TikTok sein.“ Sie überlegt kurz und fügt hinzu: „Als mir allerdings ein Lehrer erstmals TikTok heruntergeladen hat und ich gesehen habe, was da alles zu sehen ist, habe ich erschreckt gefragt: Was? Da sollen wir mitmachen?“ Gezögert hat sie dennoch nicht. Es sei ihr klar gewesen, gerade auch auf TikTok einen Kontrapunkt setzen zu müssen, um niederschwellig einfaches, religiöses Wissen zu vermitteln. Der Papst, der kürzlich erklärte, Nonnen mit „Essiggesichtern“ könnten schwer überzeugen, hätte seine Freude mit ihr. Sie lächelt und meint: „Ich wollte immer eine fröhliche, aufgeschlossene Schwester sein. Ich möchte, dass man spürt, welche Kraft der Glaube mir gibt.“ 

Herausforderungen des Glaubens

Ihre Eltern hätten sich gewünscht, dass sie den Obstbauernhof in der Nähe von Raaba übernimmt. „Es hat mir großen Spaß gemacht, auf dem Hof zu arbeiten, aber im Gymnasium bei den Ursulinen in Graz wusste ich bereits vor der Matura, dass ich Schwester werden will. Da hat es eine Schwester gegeben, die mich sehr beeindruckt hat.“ Sie könne sich noch genau erinnern, wo sie im Grazer Dom bei einer Messe im Ursulinenchor als 17-Jährige gestanden ist und das Gefühl hatte, die Stimme Jesu zu hören, der „Komm“ gerufen habe. Dieses „Komm“ habe sie nie mehr losgelassen.

Zweifel sind der damals begeisterten Ballbesucherin als Theologiestudentin dennoch gekommen, als sie auf einem der Bälle einen Mann kennenlernte. „Es war Liebe auf den ersten Blick und ich stand plötzlich vor der Frage: Heiraten oder Kloster? Ich habe damals gesagt: Lieber Gott, es war alles so klar, warum musst du mir jetzt den Hannes schicken? Was soll das?“

Sie hat gerungen und andere um Rat gefragt. Ob sich die Mutter gewünscht hätte, dass sie heiratet? Ja, die Mutter hätte sich gewünscht, dass sie heirate. „Sie ist bei meinem Eintritt in der letzten Reihe gesessen und hat geweint. Sie glaubte, dass sie nicht mehr Teil meines Lebens sein wird“, erzählt sie.

Ob sie je in den knapp 40 Jahren ihrer Zeit als Schwester Zweifel hatte, die richtige Entscheidung getroffen zu haben? „Jein. Ich hatte die Gewissheit, dass ich mich richtig entschieden habe. Es gibt dennoch viele Auf und Ab.“ Der Zweifel als ewiger Bruder des Glaubens? Sie nickt und erzählt, dass sie sich später noch einmal verliebte, ohne es sich selbst einzugestehen. „Es war eine platonische Liebe, ein tiefes Gefühl für einen charismatischen Mann, der sich seiner Ausstrahlung sehr bewusst war. Wenn man klar denkt, weiß man, dass das ohnehin keine Zukunft hat, aber in Gefühlsphasen denkt man nicht klar und deshalb sollte man in solchen Phasen auch nie eine Entscheidung treffen. Ich glaube, dass Zweifel im Leben oft auch deshalb notwendig sind, um noch tiefer hineinzuwachsen, wofür man sich entschieden hat.“

Frauen in der Kirche

Was sie sich von ihrer Kirche wünscht? Sie überlegt lange, zögert, atmet tief durch und meint schließlich: „Mehr Aufgeschlossenheit, Toleranz, Mut, neue Wege zu gehen. Die Frage ist aber immer: Wer ist Kirche? Was andere oder der Papst machen, kann ich nicht beeinflussen, aber ich kann hier durch mein Wirken als Religionslehrerin und Pastoralreferentin ein positives Bild von Kirche vermitteln.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Und ich kann beten, dass der Papst noch den Mut und die Kraft hat, sich gegen Widerstände durchzusetzen.“ Wenn es nach ihm ginge, glaubt sie, gäbe es längst Diakoninnen. Es sei, sagt sie, schmerzhaft zu sehen, dass Religion eine immer geringere Rolle spiele. „Ich sage Religion und nicht Gott, weil ich glaube, dass die Sehnsucht nach dem Göttlichen, dem Transzendenten immer existent ist.“ 

Ob sie sich als katholische Feministin sieht? Entsetzt wehrt die Religionslehrerin, Wortgottesdienstleiterin, Begräbnisleiterin, Chorleiterin, Pastoralreferentin mit den Händen ab. „Nein, sicher nicht. Ich möchte auch nicht Pfarrerin sein, aber ich würde gerne taufen und die Krankensalbung spenden, ich wäre gerne Diakoninnen.“ Warum dann nicht auch Pfarrerin, wenn sie ohnehin bereits segne und Gottesdienste leite? Sie überlegt lange, schüttelt abwehrend den Kopf: „Das kann ich nicht sagen. Vielleicht, weil ich so aufgewachsen bin.“ Ob sie glaubt, dass Diakoninnen der Kirche in Europa neue Kraft geben könnten? Die Frage amüsiert sie. Sie lacht hell auf und meint: „Vieles in der Kirche lebt von Frauen. Ohne Frauen geht nichts mehr.“