Warum sind aus- gerech- net Sie mit ei-nem E-Motorrad in Wien un- terwegs? Sie gelten ja nicht unbedingt als Freund der Elektro-Mobilität.
TOBIAS MORETTI: Die KTM Freeride E macht unglaublich Spaß und ist effizient – gerade in der Stadt. Aber eines muss man prinzipiell sagen: Weder ein E-Motorrad noch ein E-Auto ist ein wirklicher Ersatz für den Verbrennungsmotor, wenn es um Reichweite geht. Auch bei der Freeride ist das so: Ich war jetzt im 19. Bezirk und zurück, bin zweimal ganz kurz zum Burgtheater und dann in den 7.  und dann wieder in den 6. gefahren – dann war ich mit der Reichweite schon knapp. Aber wenn jemand bestimmte kurze Routen in der Stadt fährt, ist das eine wunderbare Sache.


Also können Sie der E-Mobilität etwas abgewinnen?
Ich bin ein totaler Fan von Elektrofahrrädern. Trotzdem bleibe ich dabei: Die E-Mobilität für Autos wird überschätzt, das ist fast schon verantwortungslos, was die Industrie, getrieben durch die Politik, da zurzeit aufführt. Auch die Politiker, weil sie immer glauben, die schnelle Lösung sei die gute Lösung. Es gibt ja neue, hochinnovative Technologien und auch Firmen, die forschen und knapp vor dem Ziel stehen: Wie etwa Verbrennungsmotoren mit synthetischen Kraftstoffen laufen könnten oder der Wasserstoffantrieb, das sind Themen. In der Kombination mit neuen Kraftstoffen oder auch als Hy­bridform bleibt der Verbrenner einfach das Maß der Dinge.


Gerade in Städten will man aber die E-Mobilität forcieren – hat der Diesel ausgedient?
Wenn jetzt die ganze Welt angeblich grün denkt und den Diesel verdammt, dann müssen wir auch einmal über die Energieverschwendung bei der E-Mobilität reden. Egal, ob es jetzt um die Gewinnung von Rohstoffen für die Batterien oder die Stromproduktion geht, wenn diese nicht aus erneuerbaren Energien stammt: Das ist alles in Summe um nichts umweltfreundlicher als der herkömmliche Verbrennungsmotor, insbesondere wenn durch den Druck der zu schnellen Verbreitung, also des Multiplikators, die Ressourcenkonsequenz auf uns zurückfällt. Die Städter glauben ja immer: Alles, was man nicht mehr sieht, das ist nicht mehr da. Das beginnt bei den Abwässern und endet beim Strom. Seit 25 Jahren sehe ich die gleichen hochgiftigen, nicht abbaubaren Putzmittel im Supermarkt.


Aber in den Städten drohen erste Dieselfahrverbote. Deutschland macht den Anfang, auch Österreich könnte folgen – und damit Wien.
Ein neuer Diesel, dessen Abgase mit Harnstoff gereinigt werden, ist ein anderes Thema. Das funktioniert, auch in der Stadt. Ein Audi A3-Diesel, mit 1.6 Liter Hubraum – mit dem haben wir rund vier Liter Durchschnittsverbrauch auf der Strecke ­Wien-Innsbruck geschafft. Wenn ich jetzt einen Tesla mit umgerechnet 400 oder mehr PS fahre, mit den entsprechenden Batterien bestückt, habe ich im Vergleich mehr Energie verpulvert. Im Winter gehen sich all die theoretischen Werte hinten und vorne nicht aus. Im Moment produzieren die großen Autofirmen von Mercedes über Audi über BMW, vor allem in Deutschland, in hysterischer Konkurrenz dicke, schwere S-Klassen-Modelle mit E-Antrieb, um die Quote zu erfüllen. Ich bin ein Fan von leichten, charmanten, spritzigen Autos, und die stehen nicht in krassem Gegensatz zu ökologischen Haltungen und machen Freude.


Wie sehen Sie die verkehrs­politischen Maßnahmen, die die Grünen in Wien getroffen haben? Sie sind aufgrund Ihrer Engagements ja extrem viel hier unterwegs.
Prinzipiell war vor ein paar Jahren gerade in Wien der Verkehr sehr gut gemanagt. Wie die Grünen teilweise agiert haben in ihrer einseitigen Hermetik, grenzt an Radikal-Revanchismus. Das Problem ist, dass die pädagogischen Maßnahmen zur Verkehrsverringerung, die ja prinzipiell sinnvoll sein mögen, erst einmal zu mehr Schadstoffen führen, weil der Verkehrsfluss zum Erliegen kommt. Solche Maßnahmen sind realitätsfern, vor allem wenn es um den Geschäftsverkehr geht.


Wien hat auch eine Menge Pendelverkehr. Es heißt, dass die Stadt diesen Pendelverkehr nicht mehr aushält.
So eine Argumentation führt letztlich zu einer Diskriminierung von Menschen, die nicht in der Stadt wohnen. Leute zu verdammen, nur weil sie den Individualverkehr für ihren Job brauchen, führt zu einer tiefen Spaltung zwischen Stadt und Land. Und diese Wertung ist auch sozial gefährlich.


Wie würden Sie den Verkehr regulieren?
Pudern, pudern, pudern – nein, Scherz. Ich kann mir vorstellen, dass eine nicht überregulierte Lösung zu einem Erfolg führen wird, wenn zu einem attraktiven öffentlichen Verkehr pragmatische Ansätze für den Autoverkehr verfolgt werden. Zudem gilt damals wie heute: Autos müssen leicht gebaut werden, die Möglichkeit dazu haben wir, denn das Gewicht ist entscheidend für den Verbrauch. Es braucht nicht jeder mit einem 2 1/2-Tonner mit einer Person und einem Hunderl in die City fahren.


Steigen Sie auch in die Wiener Öffis ein?
Die Wiener Öfis funktionieren sehr gut. Wenn ich aber von juristischen Forderungen höre, dass man in den Öffis nur noch sitzen darf, weil das Stehen zu gefährlich sei, dann muss ich sagen: Wir müssen schnellstens umdenken mit unserem übertriebenen Sicherheitswahn. Schauen Sie sich Paris an: Da darf man bei den Öffis sogar auf externe Plattformen aufsteigen. Man muss nicht immer versuchen, alles zu überbürokratisieren. Der Mittelwert der Vernunft muss wieder Einzug halten.