Nur zum Baden nach Korsika zu kommen, wäre zu schade“, sagt Wolfgang Auer. Der Niederösterreicher weiß, wovon er spricht, schließlich führt er seit bereits acht Jahren Gäste des legendären „Feriendorfs zum störrischen Esel“ in Calvi durch die vielfältigen Berglandschaften der Insel. Korsika entpuppt sich ohne große Umschweife als das reinste Wanderparadies. 50 Gipfel über 2000 Meter – einer schöner als der nächste – erheben sich als beeindruckende Kulisse über das hell- bis tiefblaue Meer. Korsika will entdeckt werden. Korsika will erwandert werden. Deshalb schnürt das Grüppchen schon frühmorgens die Wanderschuhe und macht sich auf die Socken. Denn die Hitze ist unbarmherzig. Um die 30 Grad können die Temperaturen bereits im Frühsommer erreichen, im Sommer stehen sie ohnehin an der Tagesordnung.

Die am nächsten zum Feriendorf gelegene Tour zum Capo di a Veta, dem beliebten Hausberg Calvis, beginnt direkt vor der Haustüre. Nach gut zehn Minuten Fußmarsch auf der Straße biegt ein Weg direkt in die Macchia, den blühenden, duftenden, teils stacheligen Buschwald, der den Nordwesten bedeckt. Markiert sind die Wanderwege hier im Allgemeinen nicht – lediglich vereinzelte Steinmännchen weisen den Weg, Eidechsen dienen sie als Spielwiese.

Allzu leicht kann man sich in dem Netz aus alten Hirtenwegen, Trampelpfaden und Wanderwegen verirren, die die Insel umspannen. Doch Wolfgang Auer kennt die Routen wie seine Westentasche. Sicher führt er die Truppe Richtung Gipfel. In das Buschwerk dringen die Mittelmeerwinde Maestrale und Tramontane kaum vor. Die Hitze staut sich und macht uns Wanderern zu schaffen. Zum Glück haben wir ausreichend Wasser in die Rucksäcken gepackt.

Im oberen Drittel des Capo di a Veta führt der Weg über den blanken Felsen. Bizarre Formationen machen die Landschaft unverwechselbar. „Tafoni“ heißen die erstaunlichen kleineren und größeren schüsselförmigen Hohlräume, die Wind und Wetter ins verwitternde Gestein geformt haben.

Die Zitadelle von Calvi
Die Zitadelle von Calvi © Fotolia/Freesurf - stock.adobe.com

Mit Aussicht belohnt

Nach rund 700 Höhenmetern wird man beim Kreuz der Österreicher mit einem Rundumblick belohnt, der seinesgleichen sucht: im Südosten das Hauptgebirge, im Südwesten wildromantische Buchten, im Norden das quirlige Hafenstädchen Calvi mit seiner Zitadelle und dem kilometerlangen Sandstrand, wo gerade der Startschuss für die 120 Segeljachten der Regatta „Crosière Bleue“ zur Überfahrt nach Antibes gefallen ist.

Wanderer, die die Inselbergwelt noch intensiver und unmittelbarer erleben möchten, begeben sich auf die Grande Route 20. Über 170 Kilometer führt der sehr anspruchsvolle Fernwanderweg vom Norden quer über das korsische Hochgebirge bis in den Süden.
Der „Störrische Esel“, der Ausgangspunkt der Tour, ist bekannt wie ein bunter Hund. Dass er in Zusammenhang mit Bergtouren steht, kein Zufall. „1960 organisierten wir die erste Alpenvereins-Gruppenreise nach Korsika – im Kleinbus, per Fähre und mit Zelten. Damals war das Abenteuer“, sagt Kurt Müller. Der 80-Jährige und seine Frau Grete haben das Dorf aufgebaut. Auch heute sind die beiden dort noch aktiv, wenn die Leitung auch längst der älteste Sohn Stefan übernommen hat. Mit jedem Jahr wollten mehr Menschen mit dabeisein. Man pachtete schließlich ein Grundstück, errichtete Bungalows. Diese dienen – in mittlerweile renoviertem Zustand – neben Chalets und Wohnzelten immer noch als Unterkunft. „Die Einfachheit ist das Markenzeichen des 'Esels'. W-Lan gibt es im Feriendorf erst seit Kurzem“, betont Grete Müller.

Gemeinsam in die Berge gehen und am Abend zusammensitzen, das macht die familiäre Gemeinschaft unter den ausschließlich deutschsprachigen Gästen seit jeher aus. „Die Animation gab's früher automatisch – durch den guten korsischen Wein“, scherzt Ernst Müller. Inzwischen kommen auch Kinder und Enkel der ersten Urlaubergeneration in den „Esel“. Wen der „Virus Corsiniensis“ einmal packe, den lässt er so schnell nicht mehr los, ist Ernst Müller überzeugt.

Felsformationen
Felsformationen © Fotolia/Carola Vahldiek - stock.adobe.com

Nicht zuletzt auch, weil Korsika das perfekte Gesamtpaket zu bieten hat – aus Sonne, Bergen und Meer. Genauso schade, wie nur zum Baden Nach Korsika zu kommen, wäre es, das Meer gänzlich auszuklammern. Schließlich ist das Wasser hier mehr als einladend. Sämtliche Strände darf jeder nutzen – so will es das französische Recht. Vorausgesetzt natürlich, man kann sie auch erreichen. Das ist nicht immer leicht. Zum Strand von Loto zum Beispiel gelangt man von Saint-Florent aus nur per Boot – die Fahrt verkürzt man sich am besten mit einem „Pietra“, einem mit Kastanienmehl versetzten, gehaltvollen Bier. Glasklares Wasser und weißer Sandstrand in wunderschöner Kulisse erwartet die Bade- und Sonnenhungrigen in der kleinen Bucht.

Eine Stunde wandert man von dort aus weiter zum Strand von Saleccia, der sich in perfektem Karibik-Flair präsentiert. Stets vom Plätschern der Wellen und vom Duft der Macchia begleitet verläuft der Weg: Montpellier-Zistrose, die „unsterbliche“ Mittelmeerstrohblume, die für Hautcremen verwendet wird, Mastix, Erdbeerstrauch und Myrthe, die sich als Likör, Schnaps und Marmelade genießen lässt. „Napoleon hat gesagt, er kann seine Insel allein am Duft erkennen. Das ist keine Kunst. Das kann ich auch“, sagt Wolfgang Auer. Wer Korsika einmal gerochen hat, versteht, warum.