Hier lagern also die wertvollen Schätze. Es müssen sogar jede Menge sein, denn die Felsenlandschaft der norwegischen Küste schimmert nur so vor sich hin. Ein Zeichen dafür, dass hier Trolle leben, die zwar noch niemand gesehen hat, die der norwegischen Mythologie nach aber hier ihr Gold und Silber vergraben haben. Wie passend, dass das Hurtigruten-Schiff gerade in den Trollfjord einbiegt.

Links und rechts ragen 80 Meter hohe und steile Felsen empor, der Kapitän steuert trotz Engstelle durch den gigantischen Fjord. Ein Fjord, das ist ein weit ins Festland hineinreichender, durch einen seewärts wandernden Talgletscher entstandener Meeresarm. Norwegens Küste ist voll davon und von Sunden - engen Meeresstraßen -, die sie in dieser Form weltweit einzigartig machen. Der Golfstrom sorgt seinerseits dafür, dass die Küste nicht zufriert.

Seit zwei Tagen ist die „MS Nordnorge“ bereits unterwegs. Begonnen hat die Reise Hunderte Kilometer nördlich des Polarkreises. Über das Nordkap, Hammerfest und Atlanterhavsveien ging es südwärts. 365 Tage im Jahre sind die Hurtigruten oder Hurtigruta (Norwegisch für „die schnelle Route“) unterwegs, traditionell als Postschifflinie, die seit 1893 die Orte der mehr als 2700 Kilometer langen norwegischen Westküste verbindet. Heute fahren die kombinierten Fracht-, Passagier- und Kreuzfahrtschiffe die Küstenlinie Norwegens zwischen Bergen und Kirkenes in sechseinhalb Tagen pro Richtung ab, wobei der Postverkehr 1984 eingestellt wurde.

Langsam zieht die atemberaubende Landschaft an einem vorbei. Die riesigen Panoramafenster auf dem Siebener-Deck machen es möglich, ein Buch zu lesen oder bei Kaffee und Kuchen miteinander tiefsinnige Gespräche zu führen und trotzdem nichts zu versäumen. Trotz bis zu 500 Gästen an Bord. Wer es noch gemütlicher haben möchte, ist auf dem Sechser-Deck richtig, wo man die Umgebung vom wohlig warmen Whirlpool aus bestaunen kann. Ja, in Norwegen kann es durchaus frisch werden. Auch im Sommer.

Wer genug von der Kreuzfahrt hat und sich die Füße vertreten will, hat mehr als 20 Stopps zur Verfügung. Einer davon ist Tromsø, die größte Stadt im Norden Norwegens. Hier befindet sich auch die nördlichste Brauerei der Welt, wo man Einheimische wie Kjell trifft, der so wie die meisten Norweger perfektes Englisch spricht und somit die Fachsimpelei über die mehr als 30 angebotenen Biersorten erleichtert. Man sollte sich jedoch gut überlegen, welchen Gerstensaft man trinkt - außer das Geldbörserl ist groß genug, denn gerade Alkohol ist in diesem Teil der Welt enorm teuer. Und für die Tatsache, dass die Brauerei nach 20 Uhr geschlossen hat, liefert Kjell auch eine Erklärung: „Ein echter Wikinger braucht nicht so lange für drei Liter“, erklärt der junge Mann mit blondem Haar und Schnurrbart lachend.

Für ihn wird aus dem Mitternachtskonzert in der Eismeerkathedrale wohl nichts mehr. Er versäumt etwas, die Besucher bekommen nämlich ein Konzert voller norwegischer Volkslieder sowie bewegender klassischer und kirchlicher Musikstücke zu sehen. Und das bei flackerndem Kerzenschein, bevor die „MS Nordnorge“ weiter Richtung Süden fährt.

Apropos: Wer mit den Hurtigruten Richtung Bergen unterwegs ist, für den gibt es, sobald das Schiff den nördlichen Polarkreis überquert, Lebertran zu verkosten. Zum Glück schmeckt das Gesöff nicht mehr so ekelhaft wie noch zu Zeiten der Wikinger. In der entgegengesetzten Richtung wartet dann eine Polartaufe auf die Gäste: Der Kapitän höchstpersönlich schüttet den Passagieren Eiswürfel ins Genick. Wie angenehm - dann doch lieber Lebertran.

In den Morgenstunden des fünften Tages erreicht man Trondheim, das an der Mündung des Flusses Nidelva liegt und im Jahr 997 als Nidaros gegründet wurde. Trondheim ist mit 191.152 Einwohnern nach Oslo und Bergen die drittgrößte Stadt des Landes und hat jede Menge zu bieten. Der Besuch des Nidarodoms, in dem der Überlieferung nach König Olav begraben liegt, ist ein Muss.

Eine sehr spezielle Stimmung begleitet die Kreuzfahrt und Ausflüge, etwa die zu den Seeadlern oder die Wanderung in Hammerfest. Verantwortlich dafür ist die tief stehende Sonne. Es ist ein gleißendes Licht, das die Felsformationen wie die Sieben Schwestern oder die Lofoten erleuchtet. Und da ist es plötzlich wieder, das Schimmern. Der Nebel tut das Seine, und wer genau schaut, erblickt an der Küste vielleicht doch einen um seinen Schatz hüpfenden Troll.