"Ich sehne mich hinaus wie noch nie“, schrieb der Maler Gustav Klimt 1901 aus dem heißen Wien an seine Muse Emilie Flöge. Die weilte am Attersee, den Klimt in seinen Briefen gerne als „dort“ umschrieb. Klimt steht noch heute idealtypisch für die klassische Sommerfrische, er verbrachte 16 Sommer am See und malte dort außergewöhnliche, heute außergewöhnlich teure Bilder.

Die Sommerfrische geriet zwischendurch außer Mode, aber heute ist sie wieder voll da. In der Tourismusbranche, wo es lange nur um Fernreisen und Exotik ging, wird heute das Ursprüngliche hoch gehandelt. In der Region Salzkammergut offeriert man das Ideal des entschleunigten Landurlaubs als zeitgemäßen Ausweg aus Hektik und Hitze der Stadt. Wälder, Seeufer und Almen laden zur sanften Flucht aus dem Klimawandel. Und das auch noch mit mustergültig kurzer Anreise.

Mit dem neuen Berge-Seen-Trail adressiert man die Sportlichen. Dagegen laden Nostalgie-Schifffahrten und lauschige Picknicks am Seeufer zum Schauen und Staunen ein. Aber kann man das Ideal von einst ins Heute übersetzen? Eine Antwort liefert zum Beispiel die einzigartige Katrin-Seilbahn am Ortsrand von Bad Ischl: 1959 als Ski-Aufstiegshilfe gebaut, war sie vor zehn Jahren vom Abriss bedroht. Die Frage lautete: Was tun mit einer angejahrten Seilbahn, die im Winter kein echtes Skigebiet erschließt, sondern nur eine schmale, steile Waldpiste?

Der Grazer Johannes Aldrian, seit 2013 Geschäftsführer des früher chronisch defizitären Betriebs, wählte den mutigen, weil sanften Weg. Die alten Gondeln wurden nicht abmontiert, sondern makellos auf „alt“ restauriert. Die blitzsauber revitalisierte Talstation versprüht den Charme einer Nostalgiebahn, wie man sie nirgendwo anders mehr findet.

Oben, auf dem Ischler Hausberg Katrin, wartet nicht Event-Wahnsinn, sondern ein intaktes Naturschutzgebiet mit 360-Grad-Bergblick. „Unser Werbeargument lautet, dass es hier schön ist“, sagt Aldrian. Versteckte Aussichtsplatzerln laden zum Staunen und Träumen ein. Der einzige Superlativ ist die Geruhsamkeit.

900 Meter weiter unten im Ortszentrum von Bad Ischl ist es mit der Stille freilich vorbei. Nicht weniger als 82 Sommer hat Kaiser Franz Joseph in Ischl verbracht, noch heute herrscht ein Rummel wie zu Kaisers Zeiten. Der Eiskaffee beim „Zauner“ kostet 8,80 Euro. Da hilft nur ein verklärter Blick in die Vergangenheit.

Dem Monarchen folgte einst eine Karawane aus Künstlern, Literaten und Intellektuellen in den Kurort. Ihre Spuren findet man allenthalben, Ischl versprüht den Flair der versunkenen Epoche: Anton Bruckner spielte in der Kirche die modernste Orgel der Monarchie, Hugo Wolf komponierte Lieder, Johann Strauss (Sohn) und Johannes Brahms saßen im Künstlercafé Ramsauer.

Das Theater wurde von Johann Nestroy geführt, auf der Bühne standen Schauspieler wie Alexander Girardi und „die“ Katharina Schratt. Adalbert Stifter kam als Schulinspektor. Franz Lehár komponierte in Ischl 30 Operetten, Emmerich Kálmán schrieb die „Csárdásfürstin“. Später gab Hans Moser vor Ort sein Debüt. Auch Romy Schneider und Alain Delon stehen in den Gästebüchern.

Zu den Säulenheiligen der Sommerfrische im Salzkammergut zählt auch Gustav Mahler, der sich 1894 in Steinbach am Attersee auf einer Landzunge hinter dem „Gasthof Zum Höllengebirge“ ein Komponierhäuschen errichten ließ. Die schlichte Hütte, in der er seine Zweite und Dritte Symphonie ersann, steht für die Renaissance der Sommerfrische: Zwischendurch war sie nur Abstellkammer und diente sogar als Strand-WC. Heute beherbergt sie wieder ein Mahler-Museum und ist ein in Fachkreisen gefragter Pilgerort.

Und dann natürlich Klimt. Gemeinsam mit den verwandtschaftlich verbundenen Familien Flöge und Paulick residierte der Maler ab dem Jahr 1900 in seinen Sommerdomizilen im Bräuhof von Litzlberg, ab 1908 in der Villa Oleander in Kammer sowie ab 1914 im Süden des Sees im Forsthaus in Weißenbach. Allein in den acht Litzlberger Sommern schuf er über 20 Landschaftsgemälde mit Sümpfen, Teichen, Wiesen, Obstgärten und der Wasserfläche des Sees. Im Klimt-Zentrum in Schörfling erinnern die neuen Klimt-Gärten an diese Epoche.

Auf den Spuren des Malers nächtigt man etwa in der 1877 fertiggestellten Villa Paulick in Seewalchen. Dort ist noch alles, wie es war: wenig Komfort, dafür ein 4000 Quadratmeter großer Parkgarten mit Boots- und Badehaus am See. Spätestens im Turmzimmer oder auf der steinernen Terrasse beginnt dann wirklich eine Zeitreise in die Sommerfrische von ehedem.

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