Man muss kein Deichgraf sein wie Hauke Haien in Theodor Storms „Schimmelreiter“, um den Reizen der kargen, in seiner endlosen Weite berückenden Landschaft zu erliegen. „Schwimmende Träume“ nannte der aus der Nordsee-Hafenstadt Husum stammende Dichter die Halligen - die kleinen, wenig geschützten Marschinseln vor den Küsten, die bei Sturmflut überschwemmt werden.

Wenn der frühe Morgen oder der späte Tag die Halligen in ihr besonderes Licht taucht, dann legt sich der Schleier des Geheimnisvollen über die Biosphäre im nordfriesischen Wattenmeer, heute Modellregion für nachhaltige Nutzung. Nirgendwo in Europa ist der Übergang zwischen Land und Meer so groß wie im Wattenmeer, Drehscheibe für den Vogelzug mit zwölf Millionen Tieren.

Von den drei Wattenmeer-Nationalparks hat der schleswig-holsteinische mit 30 Kilometern den breitesten Wattgürtel zwischen Festland und offener See. Nur hier gibt es zehn weltweit einmalige Halligen. Leicht von Hamburg aus zu erreichen ist die Hamburger Hallig.

Beim Almsink-Haus, einem Info-Zentrum, kann man Räder ausleihen. Damit gelangt man mit immer frischer Brise in der Nase zur Vogelwarte des Naturschutzbundes, wo der Vogelwart von den Knutts erzählt, den Vögeln, die ihr Gewicht im Watt um mehr als die Hälfte erhöhen, und von den Brandgänsen, für die der südlichste Teil des Nationalparks ein lebenswichtiger Mauserplatz ist. 200.000 dieser weiß, rostbraun und schwarz gefärbten Entenvögel wechseln hier ihr Gefieder.

Die üppige, artenreiche Salzwiesenlandschaft mit 40 hoch spezialisierten Pflanzenarten darf man nicht durchqueren. Von der Weite bewundern kann man im Juli und August den lila blühenden Halligflieder oder den duftenden Strandwermut. Die Strandastern wogen wie ein blaues Blütenmeer. Hier ist Brut- und Rastgebiet für Rotschenkel und Austernfischer, Säbelschnäbler und Brachvögel. Im Frühjahr und im Herbst rasten hier bis zu 30.000 Weißwangen- oder Nonnengänse. Im April weiden auf den Halligen 40.000 Ringelgänse, die ihren Energiebedarf für die lange Flugstrecke bis Nordsibirien mit Salzwiesengras decken.

Schon allein wegen des Gasthauses Hallig Krog lohnt sich ein Besuch der Hamburger Hallig. Denn dort tischt Erik Brack, ehemals Küchenchef von „Traumschiff“ MS Deutschland, neben Nordsee-Scholle, Küsten-Kabeljau und im Tontopf gegarten Salzwasser-Garnelen auch Köstliches vom Salzwiesen-Lamm, Husumer Landrasse-Schwein und Husumer Jungbullen auf.

Ab Hallig Krog empfiehlt sich eine Wattwanderung mit Wattführer. Das Watt enthält eine höhere tierische Biomasse als der Regenwald. Tief im Boden wohnt der Wattwurm. Er frisst Sand und scheidet gereinigte Sand-Kotschnüre aus. Die winzige Wattschnecke grast mit bis zu 120.000 Exemplaren pro Quadratmeter den Wattboden ab. Die verzweigten Wasseradern des Wattenmeeres, die Priele, sind die Kinderstube von Scholle, Hering, Seezunge und vielen Krebsen. Auch Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale leben im Wattenmeer.

Auf der Rückfahrt von der Hallig lohnt sich ein Zwischenstopp auf der Halbinsel Eiderstedt, wo der denkmalgeschützte „Rote Haubarg“, einst ein typischer Gutshof, mit kulinarischen Genüssen vom Galloway-Rind, Angeliter Sattelschwein oder dem „Schimmelreiter-Teller“ lockt. Auch hier weht eine geheimnisvolle Aura, belegt durch die Sage vom Roten Haubarg mit 99 Fenstern, dem das hundertste fehlt. Doch mehr sei nicht verraten.

Mehr zum Thema