Das Bild zeigt Jesus mit geschlossenen Augen, er hat die Qualen der Kreuzigung hinter sich. Die Qualen jener Hinrichtung, von der der römische Politiker, Schriftsteller und PhilosophCicero sagt, sie sei die „grausamste und fürchterlichste Todesstrafe“. Und er ergänzt: „Bereits die Nennung des Kreuzes soll den Römern fernbleiben – nicht nur ihren Körpern, sondern auch von ihren Gedanken, ihren Augen und Ohren.“ Jesus war aber kein römischer Staatsbürger und so musste er diesen brutalen Tod erleiden.

Kirche und Synagoge: Das Kreuz von Thörl-Maglern

Jesus ist tot und dennoch ist das Kreuz höchst lebendig. Denn aus dem Querbalken wachsen links und rechts zwei Hände, die nicht die seinen sind, die aber dennoch irgendwie zu ihm zu gehören scheinen. Die rechte Hand setzt einer vornehm gekleideten Frau, die auf einem löwenähnlichen Reittier sitzt, eine Krone auf. Die linke Hand führt ein Kurzschwert, das sie einer Frau durch den Kopf ins Herz rammt. Diese trägt die Tracht einer mittelalterlichen Prostituierten und sitzt auf einem aus tiefen Wunden blutenden Esel.

Unter der Frau, zur Rechten Jesu, die auch noch von der „allzeit reinen Jungfrau Maria“ begleitet wird, steht geschrieben: „Ecclesia“ (Kirche). Neben der Frau zur Linken des Gekreuzigten, hinter der auch noch die sündige, nackte Eva zu sehen ist, windet sich ein Spruchband mit der Aufschrift „Synagoga“.

Die Aussage des Bildes ist klar: Wenn Jesus selbst die Synagoge und damit die Juden tötet, dann erfüllen Christen doch nur seinen Willen, wenn sie es ihm gleichtun. Tatsächlich: Jahrhundertelang haben Christen die Juden vertrieben, ihre Häuser und Gebetshäuser angezündet, ihnen verboten, von Gründonnerstag bis Ostersonntag auf die Straße zu gehen, weil es den Christen an diesen heiligen Tagen der Karwoche nicht zugemutet werden sollte, den Gottesmördern zu begegnen.

Der Antijudaismus des Johannesevangeliums

Grundgelegt wird diese antijüdische Tendenz bereits in den Schriften des Neuen Testaments. So wird im Johannesevangelium deutlich, dass der Autor des Textes den Römer Pontius Pilatus entlasten und den wenigen im Palast des Herodes anwesenden Juden, die gerufen haben „Kreuzige ihn!“, die alleinige Schuld am Tod Jesu anlasten will. Es ist offenkundig: Die Christen wollten das geradezu allmächtige Rom, von dem sie sich eine Duldung ihres Glaubens erwarteten, nicht vergrämen. Das hat die frühe Kirche freilich nicht daran gehindert, selbst massiv gegen das Judentum vorzugehen. So heißt es in der ersten uns schriftlich überlieferten Gemeindepredigt des Melito von Sardes, gehalten zu Ostern des Jahres 170, wörtlich: „Hört es alle Geschlechter der Völker: Ein ungeheurer Mord geschah inmitten Jerusalems. Gott ist getötet worden. Der König Israels ist beseitigt worden von Israels Hand.“ Dieser Vorwurf, der erst vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962– 1965) aufgehoben wurde, war für die vielen Judenmorde durch die Jahrhunderte verantwortlich.

Mit der Theologie, die davon ausgeht, dass Jesus für alle Menschen gestorben ist, ist die Universalisierung der Schuld der Juden verbunden. Nicht nur jene Juden, die unter der Führung des Hohepriesters Josef bar Kajaphas im Jahr 28 in Jerusalem gerufen hatten „Ans Kreuz mit ihm!“, seien für den Tod Jesu verantwortlich, sondern alle Juden aller Zeit hätten Anteil am Tod Jesu. Zur Untermauerung dieser Anschauung erfanden die Kirchen im Mittelalter die Legende vom Hostienfrevel. Erzählt wurde konkret um das Jahr 1305 in Korneuburg, dass sich Juden geweihter Hostien bemächtigten und diese mit Nadeln und Messern so lange ritzen würden, bis das Blut Jesu daraus hervorquelle. Damit sei bewiesen, dass die Juden Jesus immer noch töteten.

Die ersten Synagogen brennen sehr früh

Wer tötet, muss bestraft werden. So verwundert es nicht weiter, dass den Juden auch in den Gesetzesbüchern eine Sonderstellung zukommt. So heißt es im Codex Theodosianus um das Jahr 427, dass „jede Heirat zwischen einem Christen und einem Juden dem Ehebruch gleichzustellen“ sei. Im „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ von 1935 lautet der Paragraf 1: „Eheschließungen zwischen Juden und Angehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sind verboten.“

Gesellschaften, die einen abgrundtiefen Hass auf andere Kulturen entwickeln, belassen es nicht bei legistischen Einschränkungen – sie werden auch aktiv. So brennt bald nach dem Predigtzyklus „Gegen die Juden“ des heiligen Johannes Chrysostomus im Jahre 386 in Kallinikon am Euphrat die erste Synagoge. Als Kaiser Theodosius verlangt, die Brandleger zu bestrafen und die Schäden zu reparieren, behauptet der heilige Ambrosius, der große Lehrer des heiligen Augustinus: „Ich erkläre, dass ich die Synagoge in Brand gesteckt, ja, den Auftrag dazu gegeben habe, damit kein Ort mehr sei, wo Christus geleugnet wird.“ Er zwang damit den Kaiser, seinen Befehl zurückzuziehen. Tatsächlich gingen die Täter straffrei aus. Weitere Synagogen brennen wenige Jahre später in Edessa, in Menorca und Antiochien.

Auch diesen offensichtlichen Rechtsbruch konnten die Kirchen biblisch begründen, und zwar mit dem „Blutruf“ aus dem Matthäusevangelium (27, 25), der da lautet: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Dieser Vers wurde immer wieder als Beleg dafür gesehen, dass die Christen die Juden verfolgen könnten und diese daran auch noch selbst schuld seien. Und dass sie auch für die an ihrem Eigentum entstandenen Schäden selbst zu bezahlen hätten. Dies war bereits in Kallinikon der Fall und so hielten es auch die Nazis nach dem Novemberpogrom 1938, wenn sie per Gesetz vom 12. November 1938 die Juden verpflichteten, die „durch die Empörung des Volkes“ entstandenen Schäden zu beseitigen und dafür auch noch rund eine Milliarde Reichsmark zu bezahlen.

Luthers zynische Härte gegenüber den Juden

Eine zynische Härte gegenüber Juden, die er selbst als „scharfe Barmherzigkeit“ bezeichnete, forderte schon Martin Luther in mehreren Schriften ein. Er rief dazu auf, Synagogen niederzubrennen, jüdische Wohnhäuser zu zerstören und die Bewohner in Ställen wohnen zu lassen, ihnen ihre Gebetsbücher wegzunehmen, den Rabbinern die Lehre bei Todesstrafe zu verbieten, den Händlern das Wegerecht zu entziehen, den Geldleihern ihr Bargeld zu nehmen und den jungen, kräftigen Juden Werkzeuge zur körperlichen Arbeit zu geben.

Der österreichische Historiker Friedrich Heer (1916–1983) konnte in seinem Werk „Gottes erste Liebe“ also zu Recht behaupten: „Die Munition lag seit Jahrhunderten für den Kampf Hitlers gegen die Juden bereit.“