Borderline: Dieser Begriff und die damit bezeichnete psychische Erkrankung sind den meisten bekannt. Was genau dahinter steckt, bleibt aber oft unklar. Das hat unter anderem auch damit zu tun, dass es schwer nachzuvollziehen ist, wie sich der Alltag für Betroffene wohl anfühlen mag. Daher wird gerne eine Metapher herangezogen, welche das Innere von Borderline-Patientinnen und -Patienten zugänglich machen soll. Psychiaterin Frederike Fellendorf erklärt: „Die Gefühlswelt eines Betroffenen gleicht dem Versuch, einen Araberhengst zu reiten, der nur schwer zu bändigen ist. Gesunde Menschen traben hingegen auf einem gemütlichen Ackergaul dahin.“

Borderline ist vor allem durch schnelle und plötzliche Stimmungsschwankungen gekennzeichnet. „Diese können mehrmals täglich vorkommen und sind häufig abhängig von Situationen und Reizen, die aber oft schwer zu identifizieren sind“, so die Expertin. Dazu kommt ein Gefühl von innerer Leere, Selbstwertprobleme und große Ängste – vor allem vor dem Verlassenwerden. „Das führt dazu, dass Betroffene sich stark auf einzelne Personen konzentrieren und mit diesen schnelle und intensive Beziehungen führen.“

Das überwältigende Gefühl der inneren Anspannung

Kommt es zu einer Krise, wird diese meist auf die eigene Person bezogen und die Patientinnen und Patienten fühlen sich dadurch schwer betroffen. „Das Zusammenspiel aus all diesen Faktoren führt zu einem Gefühl großer innerer Anspannung“, sagt die Psychiaterin. Diese Anspannung hat Verhaltensweisen zur Folge, die für die Betroffenen entlastend wirken: Etwa mit dem Kopf gegen die Wand schlagen oder sich selbst verletzen, wie durch verbrennen, ritzen oder schneiden. „Diesen Handlungen liegen meist keine suizidalen Gedanken zugrunde. Es geht darum, den Druck loszuwerden.“

Die emotionale Instabilität der Betroffenen führt häufig zu Konflikten: „Diese Menschen handeln schnell und impulsiv. Das führt zu viel Instabilität im Privatleben – durch Probleme in Freundschaften und Beziehungen“, so Fellendorf. Die meisten Patientinnen und Patienten haben auch Schwierigkeiten dabei, Zugang zu ihren Emotionen zu finden und diese zu beschreiben. In der eigenen Wahrnehmung fühlt es sich oft so an, als würde im einen Moment alles gut sein und im nächsten ist die Anspannung kaum noch auszuhalten.

Strategien und Skills

„Es gibt aber fast immer Anzeichen, welche das Switchen in den maximalen Anspannungszustand ankündigen. Diese gilt es in der Psychotherapie herauszuarbeiten“, so die Expertin. Erkennt man den aufkeimenden Druck dann früh genug, können alternative Strategien entwickelt werden, wie man diesen abbauen kann. Wenn die Anspannung so weit fortgeschritten ist, dass das Überdenken von neuen Strategien und Lernen neuer Dinge nicht mehr möglich ist, können zuvor trainierte Fertigkeiten, sogenannte „Skills“ zur Anwendung kommen. „Wichtig dabei ist, dass es eine Strategie ist, die an jedem Ort und zu jeder Zeit durchgeführt werden kann – es darf nichts sein, das etwa in der Öffentlichkeit peinlich wäre.“

Welche „Skills“ für die einzelne Person die richtigen sind, ist individuell verschieden. Während manchen etwa Chilliöl auf der Zunge hilft, ist es für andere sinnvoll, sich auf fünf rote Dinge im Umfeld zu konzentrieren.
Da die Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht nur die Patientinnen und Patienten sondern auch ihr Umfeld stark betrifft, ist es wichtig, auch mit den Nahestehenden zu sprechen: „Man muss sich bewusst machen, dass niemand Schuld hat. Es ist eine schwere Erkrankung, bei der man Hilfe benötigt. Es ist sinnvoll, für Betroffene und auch das Umfeld, sich mit dem Krankheitsbild auseinanderzusetzen, um klar zu verstehen, welche Verhaltensweisen auf die Erkrankung zurückzuführen sind“, sagt Expertin Fellendorf.