Die Beschäftigung mit dem Garten heilt zwar keine schweren Krankheiten, aber sie macht alles ein bisschen erträglicher: körperlich und seelisch. Das steht wohl außer Frage. „Gärtnern, die Arbeit im Garten als gesundheitsfördernde Maßnahme ist historisch schon lange belegt, schon in alten Aufzeichnungen aus Ägypten findet sich der Rat, wer krank ist, solle in den Garten gehen“, sagt Birgit Steininger, Leiterin des Lehrgangs Gartentherapie, einer Kooperation der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik mit der Donauuniversität Krems.
Der Begriff „Gartentherapie“ (bzw. Horticultural Therapy) entstand in 1950er-Jahren in den USA und kam aus dem Bereich der Ergotherapie. Österreich war 2006 das erste Land im deutschsprachigen Raum, das eine universitäre Ausbildung in dem Bereich anbot – als Zusatzausbildung für unterschiedliche Berufsgruppen. „Mit diesem Angebot sind wir hier bis heute konkurrenzlos“, sagt Steininger.



Sehr langsam, aber sicher hält die Gartentherapie zumindest in klinischen Teilbereichen Einzug. In Reha-Einrichtungen wird sie zur Kräftigung und Besserung der Motorik eingesetzt oder etwa, um den Umgang mit Prothesen zu üben. „Im Reha-Zentrum ,Weisser Hof‘ der AUVA in Klosterneuburg werden die Patienten zur Gartentherapie gleich wie zur Physiotherapie eingeteilt“, erzählt Steininger. Weitere Einsatzbereiche sind etwa psychische und Suchterkrankungen: „Das Therapiezentrum in Ybbs hat hier eine Vorreiterrolle“, sagt Steininger und erklärt: „Dort sieht es aus wie in einer Gärtnerei: ein riesiger Kräutergarten, in dem angebaut, geerntet und weiterverarbeitet wird. Es geht um das Wiedererlernen von Genussfähigkeit, die Anregung der Sinne und auch ganz simpel darum, vom Anfang bis zum Ende an einer Sache dranzubleiben.“ Sonst sind es laut Steininger in Österreich mehrheitlich kleine Projekte in Geriatriezentren oder Pflegeheimen, wo es vielleicht ein paar kleine Beete gibt und einmal in der Woche eine Gartentherapeutin kommt, die eine Gruppe leitet. „In unserem starren Medizinsystem ist es nicht leicht, etwas Neues zu implementieren“, spricht Steininger aus Erfahrung.


Dabei liegt mittlerweile schon eine Vielzahl an Studien vor, die die vielfältigen Erfolge der Gartentherapie belegt, zumal diese Therapie nicht nur Arbeiten mit und an der Erde meint, sondern auch die Floristik umfasst. „Wer in einem sterilen Krankenhaus mit Pflanzen arbeiten kann, gewinnt ein Stück Normalität, sieht sich nicht als Patient, sondern aktiv und handlungsfähig. Es kommt zu einer Art Auszeit von den eigenen Problemen, zum Gefühl, irgendwie weg, woanders zu sein“, schildert die Expertin ihre Erfahrungen aus der praktischen Arbeit mit Reha-Patienten im „Weissen Hof“.



Fest steht: Gartenarbeit ist perfekt auf die eigenen Fähigkeiten abstimmbar. „Ein Samenkorn in einen Topf mit Erde zu drücken, ist zum Beispiel wenig anstrengend, aber eine Herausforderung für die Feinmotorik“, nennt die Fachfrau ein Beispiel. Zusätzlich könne die Arbeit mit Pflanzen psychisch viel bewirken: Einerseits gehe es darum, im Garten mit anderen zusammenzuarbeiten, Verantwortung für etwas Lebendiges zu übernehmen und selber kreativ zu sein. Auch die Zeit bekomme eine neue Bedeutung – die Natur gibt schließlich ihr eigenes Tempo vor. „Und man lernt: Man kann alles richtig machen und die Pflanze geht trotzdem ein. Auch das gehört zum Leben.“ Schlussendlich eigne sich schon die Gärtnersprache für die Psychotherapie: „Man muss etwas roden, ehe Neues wächst; säen, um ernten zu können; etwas verwurzeln lassen.“


Was die Gartenarbeit dabei zur echten „Gartentherapie“ werden lässt, ist die Festlegung eines klaren Therapiezieles, die Auswahl einer entsprechenden Arbeit unter fachkundiger Anleitung und am Ende die Evaluierung, ob die gesetzten Ziele auch erreicht wurden. „Um einfach nur die gesundheitsfördernde und -erhaltende Wirkung des Gartens zu spüren, braucht es freilich keinen Therapeuten.“