Wenn Kinder krank machen: Wie Elternschaft die Psyche belastet
Elternschaft ist eine der einschneidendsten Veränderungen im Leben – emotional erfüllend,aber auch psychisch herausfordernd. Eine wissenschaftliche Studie mit Daten aus Österreich und Dänemark liefert nun klare Belege dafür, wie stark die mentale Gesundheit darunter leiden kann – und vor allem, wie ungleich die Last zwischen Müttern und Vätern verteilt ist.
Das zentrale Ergebnis: Neun Jahre nach der Geburt des ersten Kindes ist der Anteil an Antidepressiva-Verschreibungen bei österreichischen Müttern um 5,0 Prozentpunkte gestiegen – bei Vätern hingegen nur um 2,1 Punkte. Das bedeutet, dass Frauen aufgrund ihrer Elternrolle mehr als doppelt so häufig wegen Depressionen behandelt werden wie Männer. Die Forscher bezeichnen diesen Effekt als „Parenthood Penalty in Mental Health“ – die psychische Elternstrafe.
Eine stille Krise
Die Studie basiert auf umfangreichen Verwaltungsdaten aus beiden Ländern und analysiert Verschreibungen von Antidepressiva als objektives Maß für psychische Belastungen. Die Autoren betonen, dass die Unterschiede nicht auf biologische Ursachen wie die Geburt selbst zurückzuführen sind. Vielmehr scheinen die alltäglichen Anforderungen und Erwartungen an Mütter ausschlaggebend zu sein – etwa die Hauptverantwortung für Kinderbetreuung und Haushalt.
Bemerkenswert ist: Auch adoptierende Mütter, die kein Kind geboren haben, zeigen eine vergleichbare Zunahme an psychischen Erkrankungen. Ein starker Hinweis darauf, dass nicht die Geburt, sondern das Muttersein selbst den Ausschlag gibt.
Österreich stärker betroffen als Dänemark
Der internationale Vergleich zeigt zusätzlich: Auch in Dänemark gibt es eine signifikante psychische Belastung durch Elternschaft, jedoch in abgeschwächter Form. Neun Jahre nach der Geburt ist der Anstieg an Antidepressiva-Verschreibungen bei dänischen Müttern 2,7 Prozentpunkte, bei Vätern 0,8 Punkte. Das bedeutet: Dänische Mütter sind „nur“ 65 Prozent häufiger betroffen als ihre Partner – im Vergleich zu 93 Prozent in Österreich.
Die Ursachen für diesen Unterschied liegen laut den Studienautoren wahrscheinlich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Normen und familienpolitischen Strukturen. Während Dänemark auf frühzeitige, flächendeckende Kinderbetreuung und partnerschaftliche Aufteilung setzt, ist das österreichische System stärker auf traditionelle Rollenbilder und lange Karenzzeiten ausgerichtet.
Lange Karenz – langfristiges Risiko?
Besonders brisant: Längere Karenzzeiten scheinen die psychische Belastung von Müttern zu verstärken. Reformanalysen zeigen, dass Mütter, die deutlich länger zu Hause bleiben, auch langfristig häufiger an psychischen Erkrankungen leiden. Offenbar führt die intensive, oft exklusive Betreuung über Monate oder Jahre hinweg zu einem anhaltend höheren Stresslevel – ohne messbare Vorteile beim späteren Einkommen oder der beruflichen Integration.
Die Autoren warnen vor einer Einseitigkeit in der Ausgestaltung von Familienpolitik: Wenn Mütter über lange Zeit allein für Kinder zuständig sind, kann das negative Folgen für ihre Gesundheit haben. Väter hingegen zeigen in keiner der untersuchten Reformen ähnliche Effekte.
Ein Blick nach vorn: Was tun?
Die Ergebnisse der Studie werfen wichtige Fragen auf – nicht nur für Eltern, sondern für die gesamte Gesellschaft. Psychische Gesundheit darf kein Kollateralschaden von Elternschaft sein. Die klare Benachteiligung von Müttern erfordert politische Aufmerksamkeit: durch eine gerechtere Aufteilung von Elternzeiten, besseren Zugang zu Kinderbetreuung und gezielte Prävention von psychischer Belastung.
Denn wenn Muttersein krank macht, ist das kein individuelles Versagen – sondern ein strukturelles Problem. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei den Eltern allein, sondern auch bei den Rahmenbedingungen, die die Gesellschaft setzt.