Es gibt Erlebnisse, die lassen sich in ihrer Wucht und Tragik kaum beschreiben. Es ist also verständlich, wenn unsere Leserin sagt, dass sie heute noch irgendwie neben sich steht, da sich ihr Mann im Vorjahr im gemeinsamen Schlafzimmer mit einer Schusswaffe das Leben nahm. „Die Polizei, die damals gleich zur Stelle war, hat mir geraten, eine Putzfirma für die Tatortreinigung kommen zu lassen“, erzählt die Frau. Eine Freundin habe das auch gleich für sie organisiert. „Noch am selben Tag kamen drei Mitarbeiter dieser Firma, haben den Tatort besichtigt und den Raum desinfiziert“, erzählt die Leserin. Am Tag darauf hätte dieses Team das etwa 16 Quadratmeter große Zimmer völlig leer geräumt. „Sie haben alle Möbel samt Inhalt und den Teppich mitgenommen und den Laminatboden herausgerissen“, sagt die Witwe, die erst nach ein paar Tagen nervlich fähig war, überhaupt einen Blick in den Raum zu werfen.

Im Nachhinein könne sie auch gar nicht mehr sagen, ob sie überhaupt einen Auftrag für die komplette Räumung des Zimmers unterschrieben hat. „Ich weiß nur, dass ich einen Zettel für die Arbeitszeit unterfertigt habe“, sagt sie. Über die 31,5 Arbeitsstunden, die auf diesem Papier standen, habe sie sich zunächst keine Gedanken gemacht. Umso größer war die Erschütterung, als sie die Rechnung bekam: „Pro Arbeitsstunde wurden mir 120 Euro plus Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt, in Summe waren das fast 5000 Euro“, erzählt die Frau, die in ihrer Ausnahmesituation allerdings ohne jegliche Reklamation sofort bezahlte.

Alles auf dem Müllplatz?

Als ihr später bewusst wurde, dass ihr mit dem Inventar des Schlafzimmers auch einige lieb gewordene Erinnerungsstücke an ihren Mann abhandengekommen waren, fragte sie bei der Reinigungsfirma nach dem Verbleib derselben nach und erhielt die Antwort, alles sei – wie von ihr gewünscht – auf dem Müllplatz gelandet. „Außer der Rechnung und dem Stundenzettel besitze ich keine Unterlagen von der Putzfirma“, gibt die Leserin zu Protokoll.
Langer Rede kurzer Sinn: Für einen Rechtsstreit mit dem Unternehmen fehlen ihr sowohl die finanziellen Mittel als auch die Nerven. Dennoch beschäftigt sie im Nachhinein die Frage, ob ein Stundenlohn von 120 Euro für diese Arbeit überhaupt zu rechtfertigen ist.

Wir gingen der Frage nach und baten das betreffende Unternehmen um Auskunft zum Thema. Nach einigem Hin und Her ließ man uns schriftlich wissen: „120 Euro pro Stunde ist der für derartige Leistungen üblicherweise verrechnete Preis.“ Tatortreinigung sei ja keine herkömmliche Haushaltsreinigung, sondern die Reinigung von mit Blut und Gewebeteilen durchdrungenen Sachen. Das sei sehr komplex und auch für den Ausführenden belastend. – Dass man in der Argumentation für den eigenen Stundensatz zum Scheinargument „Würden Sie diese Arbeit machen wollen?“ neigt, sei nur am Rande vermerkt.

Ein Job für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger

Dabei wollten wir es aber nicht bewenden lassen. Auf der Suche nach einer Art Branchentarifblatt für das Nischengewerbe sind wir letztlich bei der Tatortreinigerin Claudia Kettner gelandet, die in Oberösterreich, Salzburg und der Obersteiermark arbeitet und damit eine neutrale Position zu Branchenkollegen aus dem Süden Österreichs einnehmen kann.

Kettner, deren Firma als eine von nur dreien in ganz Österreich über eine Zertifizierung zum Tatortreinigen verfügt, sagt: „Eine Branchenvertretung für uns gibt es nicht, weil den Job jeder anbieten kann, der den Gewerbeschein für die Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung besitzt.“ Sie selbst arbeite für einen Stundenlohn von 70 Euro, wisse aber, dass in der Branche auch Stundensätze um die 100 Euro vorkommen. Dann müssten aber die verrechneten Stunden im Rahmen bleiben. Zu den höchsten Rechnungen, die sie jemals gestellt hat, sagt Kettner: „Unlängst hatte ich den Auftrag für die 30-Quadratmeter-Wohnung eines Alkoholikers, der zwei Wochen tot darin gelegen war – das war fast eine Generalsanierung – um insgesamt 3000 Euro.“

Nicht ohne Anbot

Was laut Kettner ein seriöses Unternehmen ausmacht? „Der Tatort wird zuerst einmal besichtigt, danach wird ein Anbot erstellt und mit dem Kunden besprochen. Man muss nicht gleich mit der Reinigung beginnen.“ Zur Notwendigkeit, alles Inventar aus einem Raum zu entsorgen, sagt die Expertin: „Was gereinigt werden kann, wird gereinigt, das wird nicht entsorgt.“

So sieht der Alltag einer Tatortreinigerin aus