Ob Eltern, Lehrer oder Schüler, alle sind außer Rand und Band. Für junge Erwachsene ist sie einer der großen Meilensteine im Leben. Für Eltern gilt sie meist als „das Beste“ fürs Kind: die gute, alte und seit Einführung der Zentralmatura im Schuljahr 2014/15 nicht ganz unumstrittene Matura.

Bildungspsychologin Christiane Spiel weiß, warum die Nerven in diesen Wochen blank liegen. Neben Qualifikation und Sozialisation zählt die Selektion zu den Hauptaufgaben der Schule. Und hier beginnt das Dilemma meist. Spiel: „Wir haben in Österreich leider die Situation, dass Berufsbildung und akademische Bildung nicht gleichermaßen geschätzt werden.“

Bei vielen Jugendlichen wird deshalb bis zur Reifeprüfung mit kostspieligen Nachhilfestunden nachgeholfen. 27 Prozent der Schüler brauchen noch zusätzliche Hilfe beim Strebern, 103 Millionen Euro ließen sich Eltern diese im Jahr 2017 kosten. Unter anderem, weil viele den eigenen gewünschten Bildungsweg auf ihre Kinder „übertragen“.

Ein Bild, das sich nach der Matura fortsetzt. Im Jahr 2018 begannen 2,6 Mal so häufig Kinder aus „bildungsnahem Elternhaus“ ein Studium an den österreichischen Universitäten und Fachhochschulen als Kinder aus bildungsfernem. 

Dabei könnten, so die Expertin, beide Ausbildungen Einflüsse der jeweils anderen vertragen. Mehr Berufsbildungselemente in der Allgemeinbildung und umgekehrt. „Was kann man wirklich, wenn man die Matura hat? Ich vermisse ein klares Profil. Wofür sollte das Gymnasium eigentlich stehen?“, fragt Spiel.

Vermisst ein klares Profil: Bildungspsychologin Christiane Spiel

Vor allem müsse man sich auch auf die neue Arbeitswelt, die sich aufgrund der Digitalisierung im Wandel befinde, vorbereiten. „Es wird neue Berufe geben. Deswegen wird es nicht mehr um Zertifikate gehen, sondern um Kompetenzen.“

Fühlt sich gut vorbereitet: Andreas Glawogger

Andreas Glawogger fühlt sich mit seinem Maturazeugnis aus dem Jahr 2017 gut gerüstet. Das war bei ihm jedoch mit einem Umstieg von AHS zu BHS verbunden. „Weil ich gemerkt habe, dass AHS alles und nichts zugleich ist.“ Derzeit arbeitet er im Gastrobereich, „aber mir steht alles offen. Ich kann arbeiten, könnte aber auch studieren“, so der 21-Jährige, der jedoch auch Kritik übt.

Harald Kainz, Rektor der Technischen Universität Graz, stellt der Matura ein sehr gutes Zeugnis aus – sie sei eine gute und ausreichende Basis, außerdem eröffne sie Jugendlichen viele Wahlmöglichkeiten. „Darüber hinaus ist eine Aufnahmeprüfung zum Studium kein Ersatz für eine erfolgreich abgeschlossene Sekundarschulbildung“, so Kainz.

Unter anderem sind es aber genau jene Uni-Aufnahmeprüfungen, die immer wieder die Frage aufkommen lassen, ob die Matura ihre Berechtigung als „Hochschulreife“ nicht verloren hat. Harald Kainz kontert, dass diese Prüfungen den Studienanwärtern Orientierung über Neigung und Eignung für ein bestimmtes Studienfach geben würden.

Prüfungen dienen der Orientierung: Tu-Rektor Harald Kainz
Prüfungen dienen der Orientierung: Tu-Rektor Harald Kainz © Ballguide/Tamara Mednitzer

Trotzdem werden Online- und Gratis-Brückenkurse in den sogenannten Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) sowie Sommerkurse im IT-Bereich angeboten. „Ein technisches oder naturwissenschaftliches Studium stellt in einzelnen Fächern eine Herausforderung für Maturanten dar.“

Christiana Zenkl, Personalleiterin bei Infineon Technologies Austria, ist diejenige, die Lebensläufe ganz genau liest. Für sie sind Noten in bestimmten Fächern oder der Erfolg im Abschlusszeugnis ein Aspekt von vielen. „Zentral ist für uns die Kombination aus Ausbildung, praktischer Erfahrung, Persönlichkeit und Interesse passend zum konkreten Jobprofil.“

"Matura ist wichtige Basis": Christiana Zenkl, Personalleiterin Infineon Austria
"Matura ist wichtige Basis": Christiana Zenkl, Personalleiterin Infineon Austria © Infineon Austria

Aber auch Zenkl unterstreicht den Wert der Matura – ob über den klassischen Schulweg oder die Lehre mit Matura. „Sie ist eine wichtige Basis für den Berufseinstieg und notwendige Voraussetzung für weiterführende Ausbildungen.“