Kürzlich meldeten Sie in Ihrer Bilanz 2019 ein Rekordergebnis bei der Besucherzahl. Beruht der Anstieg auf der Erweiterung der Museumsflotte um das Freilichtmuseum Stübing?
Wolfgang Muchitsch: Der große Brocken war Stübing, wobei aber auch Stübing einen Rekordwert erreicht hat im ersten Jahr, in dem wir den Betrieb übernommen haben. Mitverantwortlich sind auch die guten Zahlen im Kunsthaus, wo wir eines der stärksten Jahre seit 2003 hatten, dank der Peter-Kogler-Schau und „Kunst – Handwerk“, auch die Neuaufstellung der Alten Galerie in Eggenberg und die „Gipfelstürmen!“-Schau in Trautenfels haben sich positiv ausgewirkt. Wir haben 40.000 Besuche mehr, als wir für 2019 budgetiert hatten.

Wie hat das Joanneum die Stübinger Expansion vertragen?
Alexia Getzinger: Das hat anfangs schon ein paar Fragen aufgeworfen. Es ist ein großes Museum mit 55 Mitarbeitern, das Personal in Stübing war aber von Beginn an positiv gestimmt, und wir haben die Integration als längeren Prozess aufgesetzt, was geholfen hat.

Gibt es mittelfristige Pläne, weitere Institutionen in den Museumsverband zu integrieren?
Muchitsch: Aktive Pläne nicht, aber das ist letztlich eher die Verantwortung der Kulturpolitik. Aber mit der Durchführung der Steiermark-Schau 2021 haben wir ohnehin ein großes Projekt anstehen.

Heuer wird das Volkskundemuseum in Graz saniert und neu aufgestellt, ist die Modernisierung des UMJ damit mittelfristig einmal abgeschlossen?
Muchitsch: Die Problemstellung ist, dass dieser Erneuerungsprozess vor 20 Jahren begonnen hat und Schausammlungen in etwa eine Haltbarkeit von 20 Jahren haben. Damit dreht sich das Rad von vorn. Die Volkskunde hatten wir 2003 neu aufgestellt. Wobei die Häuser aktuell gut aufgestellt sind, die älteste Schausammlung ist die in Trautenfels aus den späten 90ern, die ist aber noch so gut, dass es aktuell keinen Veränderungsbedarf gibt.



Vor zehn Jahren gab es ein politisch verordnetes Sparpaket, wie hat sich das Budget entwickelt?
Muchitsch: Diese Einsparung von mehr als 20 Prozent von damals zieht sich bis heute durch, sicher gibt es, mit Ausnahme des Kunsthauses, Valorisierungen, die gab es aber auch schon davor. Deshalb sind viele Maßnahmen von damals, wie die Einschränkung der Öffnungszeiten, noch immer wirksam. Aber wir bekommen von der Politik Signale, dass sich das auch einmal ändern könnte.

Der Budgetanteil, der direkt in die Ausstellungen fließt, ist ja sehr klein, was Laien oft einmal wundert.
Muchitsch: 60 Prozent sind Personal, 30 Prozent Infrastruktur und 10 Prozent haben wir freie Mittel, die in Ausstellungen, Marketing und Ankäufe gehen.

Ist es nicht misslich, dass man den Erfolg eines Museums immer an Besucherzahlen misst?
Muchitsch: Das ist eines der Grundübel des Museumsbereichs, dass wir es noch nicht geschafft haben, eine andere Messzahl zu finden, die den Erfolg darstellt. Die reine Quantität sagt ja nichts über die Qualität des einzelnen Besuchs aus. Und wie bildet man internationale Wahrnehmung ab?
Getzinger: Die Qualitätsmessung muss weiche Faktoren berücksichtigen. Uns ist etwa der vermittelte Besuch sehr wichtig, die Besucherbindung und -zufriedenheit. Wir orientieren uns ja sehr an den Mehrfachbesuchern.
Muchitsch: Der größte Teil der Besucher im Wiener Belvedere kommt aus Südkorea. Da ist eher Crowd-Management gefragt, bei uns geht es dagegen um Stammkundenbindung.

In Wien jagt eine Großausstellung die nächste, und man vermeldet stets neue Rekorde. Was kann man abseits der Touristenströme tun, als Grundversorger für ein Bundesland, um den Abstand zu solchen Zentren nicht noch größer zu machen?
Muchitsch: Die Museumslandschaft in Wien zählt zu den Top Ten der Welt. Sich daran zu messen, wäre falsch, man sieht das an der Kunsthaus-Diskussion.
Getzinger: Wir sind letztlich ein Landesmuseum, das ist unser Kerngeschäft, diese Grundversorgung ist ja etwas Wesentliches. Die Frage, welche Schätze haben wir, an wen wollen wir diese vermitteln?
Muchitsch: Um im Konzert der ganz Großen mitzuspielen, benötigt man eine international gefragte Kunstsammlung. Denn die Leihgaben bewegen sich zwischen den Topplayern. Oder ich habe Unmengen an Geld wie etwa im arabischen Raum, um in dieses System einzusteigen. Wir haben zwar das Zeughaus oder den Kultwagen von Strettweg, aber keine große, internationale Kunstsammlung, mit der wir in dieses Tauschsystem einsteigen könnten.

Sie haben 2020 eine große, echte Kooperation mit dem steirischen herbst.
Muchitsch: Eine Win-win-Situation für beide, der herbst geht dafür stark in unsere Sammlung der Neuen Galerie.

Eine Zusatzaufgabe ist die bereits erwähnte Abwicklung der Steiermark-Schau, die 2021 erstmals stattfindet.
Muchitsch: Es wird eine Bestandsaufnahme des Landes: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Museum für Geschichte, Volkskundemuseum und Kunsthaus. Dazu kommt eine nomadische Architektur außerhalb von Graz. Wir eröffnen am 9. April 2021.

Und wie es jetzt aussieht, soll es die Steiermark-Schau ja biennal geben.
Muchitsch: Ja, 2023 und 2025, wobei die frühen, ersten Landesausstellungen auch Joanneums-Veranstaltungen waren. Dazu kommt noch die Kulturhauptstadt 2024 im Salzkammergut, wo wir mit Schloss Trautenfels am Eingangstor in diese Region stehen.
Getzinger: Aber es ist natürlich Zukunftsmusik, entscheiden muss darüber die Kulturpolitik. Aber wir sind bereit.