Sie steht für ein Goldenes Zeitalter US-amerikanischer Kultur wie kaum eine andere, obwohl ihre erste Duftmarke im Showbusiness gerade mal etwas mehr als zehn Jahre zurückliegt: Lana Del Rey singt über Liebe, Sehnsucht und Ruhm, verpackt in mal melancholisch-schmachtende Songs, dann wieder kleine Perlen moderner Popästhetik. Mit "Chemtrails over the Country Club" erscheint heute ihr siebentes Studioalbum.
Die Nische, in der es sich die bürgerlich auf den Namen Elizabeth Grant hörende Künstlerin gemütlich gemacht hat, ist mittlerweile reich ausstaffiert und kunstvoll gestaltet. Nach dem Durchbruch mit der Single "Video Games" sowie dem dazugehörigen Album "Born To Die" in den Jahren 2011 und 2012, hat Del Rey behutsam an ihrem Image und ihrer Kunst gefeilt. Retro sei diese, wurde immer wieder konstatiert. Aber eben auf ansprechende Weise.
Stimmt. Die Ästhetik, derer sich Del Rey bedient, lebt von körnigen Videoaufnahmen, ihrem tiefen Timbre, in dem sie uns an ihrer Welt und der des Amerikanischen Traums teilhaben lässt, sowie einer musikalischen Ausrichtung, die einer geradezu klassischen Poptradition entspricht. Und doch: Immer wieder sind da diese Elemente und Details, die ins Hier und Jetzt deuten.
Nachdem das Vorgängeralbum "Norman Fucking Rockwell!" (2019) für Del Rey - auch dank vereinzelter neuer Spuren im Sound - zu einem großen Triumph wurde, hat sie für "Chemtrails" erneut mit Produzent Jack Antonoff zusammengearbeitet. Die elf neuen Songs, darunter das gemeinsam mit ihren Kolleginnen Zella Day und Weyes Blood eingesungene, äußerst gelungene Joni-Mitchell-Cover "For Free", sind also keine Neuerfindung in ihrem kreativen Kosmos, sondern eher konsequente Weiterschreibung einer Erzählung.
Minidramen mit Sogwirkung
Als solche ist Del Reys Musik grundsätzlich zu verstehen: Es sind Minidramen, die sie mit ihren Texten und dem so betont artikulierten Gesang aus den Boxen tropfen lässt. Etwa die Reminiszenz an eine "einfachere Zeit", die sie im reduzierten Opener "White Dress" mittels gepresstem Falsett heraufbeschwört, oder der ebenso bibel- wie trinkfeste "Tulsa Jesus Freak", an dem sie sich im gleichnamigen Stück abarbeitet. Mit kräftigen Pinselstrichen malt sie Bilder, die schnell eine Sogwirkung erzeugen und in die Szenerie führen - von der passenden Atmosphäre ganz zu schweigen.
Will man ein Haar in der Suppe finden, so ist es wohl die Gleichförmigkeit, die den Stücken von "Chemtrails" leider beizeiten innewohnt. Der Titelsong ist geradezu ein Klassiker im Del-Rey-Universum, hat all die typischen Referenzen und Stimmungen in wenigen Takten abgeklappert. Auch "Let Me Love You Like A Woman" ist ein Liebessong, wie man ihn von Del Rey mittlerweile erwartet - und kann leider kaum mit Überraschendem aufwarten, so man sich das wünscht.
Aber was sind die Erwartungen: Ein neuer, solider Baustein in dieser sehr eindrucksvollen Karriere, oder doch ein provokanter Stilwechsel? Wer wie Del Rey in "Dark But Just A Game" so gekonnt mit den Bestandteilen eines guten Popsongs umzugehen weiß, ist sowieso auf der sicheren Seite, auch wenn es nach zehn Jahren im Geschäft und mehr als einem halben Dutzend Alben wahrlich genug Material gibt, das in die genannten Kerben schlägt. Das ist wohl auch der "Preis des Ruhms", wie sie ihn in diesem Stück besingt, um dann festzuhalten: "Ich werde mich nicht ändern, ich bleibe dieselbe."
Wurde sie in den vergangenen Jahren teils für ihre an den Tag gelegte emotionale Zerbrechlichkeit kritisiert, geht Del Rey mit diesen Dingen heute recht offensiv um. "Die Pandemie hat all diese Probleme der psychischen Gesundheit, die immer schon da waren, zutage gefördert", sagte sie vergangenen Herbst im "Interview Magazine". "Ich habe schon immer darüber gesungen, während die Leute sagten: 'Sie täuscht diese emotionale Fragilität doch nur vor!' Ganz ehrlich: Nein, das ist nicht der Fall." So oder so: Aus künstlerischer Perspektive geht ihr Zugang jedenfalls auf - auch bei "Chemtrails over the Country Club".
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